Der Fall Carnac
sie ihm doch bloß zu schenken«, rief Gerhard plötzlich. »Dann sind alle befriedigt.«
»Das ist tatsächlich das einfachste. Du hast die beste Lösung gefunden. Donnerwetter, Gerhard, du bist ein As!« /
Peter drückte seinem Bruder kräftig die Hand, und die ganze Gesellschaft lachte fröhlich.
Mittlerweile war es zu spät geworden, noch zur Kaninchenbucht zu gehen. Es wurde bereits dunkel. Line erklärte, sie müsse jetzt Abendbrot machen, und jemand solle sich um Kikri kümmern.
Armer Kikri! Gleich nach dem Mittagessen hatte man ihn wegen des bevorstehenden Besuchs von Don Ameal ins Hühnerhaus gesperrt. Die Anwesenheit eines Fremden und gar noch eines Hundes hätte sonst zur Katastrophe führen können.
Die Kinder befreiten den Hahn, der flügelschlagend aus seinem Gefängnis kam.
Er mußte ganz steif geworden sein. Nun stieß er zwei, drei schallende Kikerikirufe aus und stolzierte seinen Herren voran ins Haus.
»Die Milch!« rief Anne plötzlich.
Peter und Ludwig sprangen auf die Fahrräder und sausten die Allee hinunter.
Sie waren kaum fünf Minuten weg, als es an die Haustür klopfte.
Die Zwillinge, die in den Hausflur gestürmt waren, flüchteten eilends wieder in die Küche zurück.
»Die Männer vom Zelt, die Männer vom Zelt!«
»Guten Abend, meine Damen!«
Zwei junge Leute standen auf der Haustürschwelle, und jeder hatte einen dieser Kupferbehälter in der Hand, die von allen Campingfahrern als Eimer benutzt wurden.
»Entschuldigen Sie, bitte, daß wir Sie stören. Könnten Sie uns vielleicht etwas Wasser geben? Wir haben nirgends eine Pumpe gefunden.«
»Natürlich«, erwiderte Line. »Da ist der Hahn.«
Im gleichen Augenblick knipste sie, und die Lampe strahlte auf.
»Das war doch nicht nötig.«
In der Helligkeit der Lampe wirkten die beiden Individuen noch weniger einnehmend. Bärtig, langhaarig, die Haut von der Sonne gerötet. Und Was für Verbrechergesichter!
In diesem Augenblick gab es einen fürchterlichen Lärm im Treppenhaus, und ein Wirbel stürzte sich in die Küche.
»Kikri!« rief Anne.
Doch Kikri war bereits einem der Männer auf den Rücken gesprungen, der sich schreiend wehrte.
Mit Mühe und Not gelang es Anne, den Hahn einzufangen. Sie drückte ihn in die Arme und versuchte ihn zu beruhigen. Doch das Tier erstickte fast vor Wut und krähte lärmend.
»Du liebe Zeit!« rief der Zeltbewohner und rieb sich den Nacken. »So eine Aufregung!«
»Hat er Sie verletzt?«
»Nein, aber er hat mir einen verdammten Schrecken eingejagt.«
Da brach der andere in schallendes Gelächter aus.
»Zum Teufel, wo kommt denn dieses Vieh her?«
»Er muß ins Obergeschoß hinaufgestiegen sein. Und als er die Herren bemerkte...«
»Nun, da haben Sie ja einen tüchtigen Wächter. So was habe ich noch nicht erlebt.« 1 Kikri zappelte in Annes Armen.
»Wir wollen lieber gehen. Unsere Anwesenheit reizt ihn.«
Die beiden Männer entfernten sich und nahmen ihre Kupfergefäße mit, aus denen das Wasser auf den Boden tropfte.
Sie entschuldigten sich noch einmal wegen der Störung und verschwanden im Park.
Die Kinder waren plötzlich sehr schweigsam und blickten ihnen nach.
»Sie gehen durch eine Bresche in der Mauer«, sagte Anne. »Nichts ist bei uns heil und sicher!«
»Was soll dieses Theater?« rief Ludwig eine Weile später. »Neben dem Hof von Jaouen gibt es doch eine Pumpe! Das sind keine hundert Meter. Das Wasser war nichts als ein Vorwand. Die Kerle wollten sich nur das Haus mal von nahem ansehen.«
Die Kinder überlegten schweigend.
Schließlich sagte Line: »Was sie auch vorgehabt haben mögen, ich glaube nicht, daß sie es wagen. Kikri hat ihnen ganz schöne Angst eingejagt.«
»Hm«, machte Peter. »So sicher ist das noch nicht. Auf alle Fälle wollen wir Vorsichtsmaßnahmen treffen.«
Die Nacht sank hernieder. Mit Sonnenuntergang hatte der Seewind eingesetzt. Die Bäume im Park bogen sich. Es war gut, im Haus zu sein.
Line hatte vorgeschlagen, in der Küche zu essen, die groß und praktischer war als das Eßzimmer, weil sie einen Fliesenfußboden und kräftige Stühle hatte.
Ihr wäre es recht gewesen, wenn man nicht mehr von den Männern im Zelt gesprochen hätte. Doch immer wieder kam einer darauf zurück.
»Sie sind sehr höflich gewesen«, sagte Anne. »Ich glaube nicht...«
»Doch, der Kleinere hat sich überall umgesehen. Das habe ich genau gemerkt«, rief Gerhard.
So ging die Geschichte von neuem los.
»Nach dem Essen werden Ludwig und ich eine
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