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Der Fall Carnac

Der Fall Carnac

Titel: Der Fall Carnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel-Aimé Baudouy
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Runde machen«, sagte Peter.
    »Nein, nein!« rief Anne. »Ihr dürft das Haus nicht verlassen!«
    »Nur einen Gang durch den Park. Und dann werden wir die Türen verrammeln.«
    »Wir behalten Kikri bei uns.«
    »Wo ist er übrigens jetzt?«
    Kikri, den Anne losgelassen hatte, als die Fremden verschwanden, war weg.
    Schließlich fand man ihn im Salon, wo er in einem Regal des Geschirrschranks saß, die Federn aufgeplustert und schon halb im Schlaf.
     
    Während die Mädchen die Küche aufräumten, machten Peter und Ludwig ihre Runde, und Gerhard stand in der Haustür, um die Verbindung zu halten. Er war begeistert über die Wendung, die die Ereignisse genommen hatten, und wünschte sich von ganzem Herzen, daß das Abenteuer weitergehen und noch dramatischer werden möge.
    Die Nacht war dunkel. Das Licht von der Haustür fiel in einem hellen Viereck auf den Kies des Hofes, doch schon die nächsten Büsche lagen im Finstern. Dahinter die tiefen Schatten der Bäume, die im Seewind rauschten.
    Die Arme auf der Brust verschränkt, blickte Gerhard mit einer Art Herausforderung in die Nacht hinaus. Er dachte: >Ich bin ein Posten, der die Zugbrücke des Forts bewacht. Die Indianer werden angreifen.< Und er fühlte, wie ihm das Herz schwoll.
    Das plötzliche Auftauchen der Patrouille ließ ihn zusammenfahren.
    »Halt! Wer da?«
    »Sei doch still, du Schafskopf!«
    Ludwig drehte den Schlüssel zweimal im Schloß um. »Das Zelt ist noch da«, sagte Peter. »Die Kerle schlafen oder tun wenigstens so, als ob sie schliefen. Wir werden alle Türen und Fenster verrammeln, und dann legt ihr euch ins Bett. Ich werde wachen.«
    »Ich bleib’ bei dir«, rief Ludwig.
    »Ich auch«, stimmte Gerhard sofort ein.
    »Nein«, erklärte Line. »Anne und ich werden als erste wachen. Wir müssen noch Wäsche waschen. Die Gelegenheit können wir gut ausnutzen. Ihr Jungen legt euch jetzt hin und löst uns um Mitternacht ab.«
    »Ich bleib’ bei euch«, rief Genoveva.
    »Meinetwegen.«
    Diese vernünftige Lösung überzeugte alle. Peter und Ludwig machten die Fensterläden fest, verbarrikadierten alle Türen und gingen zum Schlafen hinauf, von Gerhard gefolgt, der darauf bestand, daß man ihn mit den beiden Großen wecken solle.
    Als die Mädchen allein waren, fingen sie an zu kichern. »Glaubst du an diese Diebstahlsgeschichte?« fragte Anne.
    »Eigentlich nicht. Die Jungen haben sich das in den Kopf gesetzt.«
    »Und du hast doch diese Burschen aus dem Zelt gesehen. Sie waren so höflich. Sie lachten dauernd. Sie sahen ganz und gar nicht wie Diebe aus.«
    Line fand das eigentlich auch. Aber schließlich hatte doch zweimal jemand versucht einzubrechen.
    »Leute, die klauen wollen, gibt es überall. Vorige Woche ist die Wäsche aus dem Garten der Zollbeamten gestohlen worden. Da hat man gesagt, es seien Zigeuner gewesen. Hier könnten es ebensogut Zigeuner gewesen sein, die geglaubt haben, das Haus sei leer.«
    »Vielleicht«, erwiderte Line.
    Sie wußte es nicht. Sie wußte gar nichts mehr. Ihr war, als lebe sie bereits seit Jahren in der Überholwerft, und all diese Diebesgeschichten seien ein Spiel, das schon aus der Zeit stammte, als sie und Anne noch ganz kleine Mädchen waren.
    Während die beiden Großen sich am Spülstein zu schaffen machten, war Genoveva am Tisch, den Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, eingeschlafen.
    Auch Anne gähnte, und Line fühlte sich ganz zerschlagen.
    Die Wäsche war fertig, gespült, ausgewrungen und zum Abtropfen über den Ausguß gehängt. Dort sollte sie auf die Sonne und den Wind des nächsten Tages warten.
    Doch es war kaum elf. Was sollten sie nun tun?
    »Wir gehen schlafen«, sagte Anne. »Ich stelle den Wecker auf Mitternacht.«
    Der Wecker läutete eine gute Minute, doch in der Überholwerft hörte ihn kein Mensch.
     
    Das Ereignis spielte sich gegen drei Uhr morgens ab. Ein plötzlicher Lärm und Kikris wütendes Krähen schreckte Line auf. Sie fuhr hoch. Anne stieß einen Schrei aus. Schon öffnete sich die Kammertür, in der die Jungen erschienen.
    »Habt ihr das gehört?«
    Man vernahm noch das ärgerliche Glucksen Kikris aus dem Erdgeschoß.
    »Vielleicht hat er einen Alptraum gehabt«, sagte Anne, die am ganzen Körper zitterte.
    »Wir sehen nach.«
    Peter und Ludwig, die sich nicht ausgezogen hatten, liefen als erste hinunter. Line hörte ihre Rufe und raste ihnen nach, von Anne im Morgenrock gefolgt.
    Was sie sofort sah, war das offene Fenster, dessen Vorhänge im nächtlichen Wind

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