Der Fall Carnac
wollte.«
»Und als er suchend herumtastete, hat er Kikri vielleicht berührt, und der ist aufgewacht. Ja, Line, so ist es gewesen. So ist es bestimmt gewesen...«
»So müssen sich die Dinge heute nacht abgespielt haben. Der Dieb wurde von Kikris Angriff so überrascht, daß er den Kopf verlor und floh. Es kann kein erfahrener Einbrecher gewesen sein.«
»Glaubst du, daß es die beiden Burschen waren?«
»Nein«, erwiderte Line geradezu, »die beiden Männer aus dem Zelt können es nicht gewesen sein, weil sie nie im Salon gewesen sind und nichts von diesem Bild gewußt haben.«
»Aber wer dann... wer?«
»Jemand, der das Bild gesehen hat.«
»Alle, die jemals im Salon gewesen sind, haben es sehen können. Seit Jahren schon.«
Im Hof erklang der Ton einer Autohupe.
»Don Ameal«, rief Anne. »Welch ein Glück! Er kommt genau zur rechten Zeit.«
Line trat ans Fenster. Doch plötzlich wich sie zwei Schritt zurück.
»Oh!« sagte sie leise. »Don Ameal hat eine schwarze Jacke an. Er hat die Hahnentrittjacke nicht angezogen.«
»Na und? Was hat das zu bedeuten?«
»Die Hahnentrittjacke, schwarz und weiß, SCHWARZ, WEISS. Das Stück Stoff, begreifst du denn nicht?«
»Du bist verrückt!« rief Anne. »Don Ameal?«
»Geh ihm entgegen!« sagte Line und schob die Freundin zur Tür. »Geh, geh! Mach schnell!«
Neuntes Kapitel
Sidis Anwesenheit machte alles viel einfacher. Die munteren Sprünge des Hundes, der sie begrüßte, machten es Anne leichter, ihre Erregung zu verheimlichen. Während sie sich gegen die Liebkosungen des Tieres wehrte, warf sie immer wieder einen Blick auf die Haustüre, wo sie ungeduldig hoffte, ihre Freundin auftauchen zu sehen.
Don Ameal lächelte. Die Spielereien seines Hundes machten ihm jedesmal von neuem Spaß. Doch nun tadelte er ihn sanft.
»Quieto, Sidi, quieto! Sie sind allein, Fräulein Anne?«
»Die andern sind am Strand, aber Line ist da.«
Line erschien in der Haustür, und Sidi stürzte sich auf sie.
»Ich wollte mich Verabschieden«, sagte Don Ameal. »Ich reise heute abend nach Amsterdam.«
»Wie schade!« rief Anne. »Ist Ihr Urlaub zu Ende?«
»Geschäfte«, sagte er und hob resigniert die Arme. »Wollen Sie sich nicht eine Minute setzen?«
»Gern«, erwiderte er. »Übrigens habe ich heute morgen mit Ihrer Frau Mutter telefoniert, und wir haben die Angelegenheit geregelt. Ich möchte noch einen Blick auf die beiden kleinen Bilder in den Goldrahmen werfen, Sie wissen ja...« '
>Es stimmt also!< dachte Anne in höchster Verwirrung. Docht schon trat Line vor und sagte: »Mein Gott! Das wissen Sie ja noch gar nicht. Bei uns ist heute nacht eingebrochen worden.«
»Eingebrochen?«
»Ja. Kommen Sie, sehen Sie es sich an!«
Don Ameal folgte den beiden Mädchen in den Salon. »Sie sind durchs Fenster eingestiegen. Sie haben einen Fensterladen ausgehängt. Und da, die Fensterscheibe, sehen Sie nur!«
Don Ameal blickte sich höchst erstaunt im Zimmer um. Plötzlich streckte er die Hand aus.
»Und die kleinen Bilder, die dort hingen?«
»Sie sind das einzige, was sie gestohlen haben«, erwiderte Line rasch. »Sie waren wohl am leichtesten mitzunehmen.«
Anne hämmerte das Herz. Lines Dreistigkeit verschlug ihr den Atem.
Don Ameal stand wie erstarrt. Dann schüttelte er den Kopf.
»Sie sagten: Was sie gestohlen haben. Wissen Sie, daß es mehrere waren?«
»Gewiß zwei.«
»Burschen, die hier gezeltet haben«, warf Anne ein. »Sie sind den ganzen Tag ums Haus gestreift.«
»Sie haben ihr Zelt auf dem Nachbarfeld aufgeschlagen.«
»Und sie sind auch hierhergekommen?«
»Ja, unter dem Vorwand, Wasser zu holen.«
»Was haben Sie getan? Haben Sie Anzeige erstattet?«
»Nein«, erwiderte Line. »Wir wollen Loute nicht beunruhigen. Es lohnt ja die Mühe nicht wegen der beiden wertlosen Stücke. Außerdem sind die Diebe abgefahren. Es wäre schwierig, sie wiederzufinden.«
»Was waren es denn für Leute? Jung, alt?«
»Junge Männer, vielleicht fünfundzwanzig. Sie trugen Bärte. Sie...« Anne spürte den gebieterischen Blick Lines. Sie schwieg mitten im Satz, doch Don Ameal wandte sich ihr zu.
»Sie sahen genau aus wie Verbrecher«, fuhr sie deshalb fort. »Und man merkte es ihnen an, daß sie etwas Böses im Schilde führten.«
»Diese Campinggäste sind wirklich eine Plage«, erwiderte Don Ameal.
Im Hof erklang Sidis Bellen. Die Badenden kehrten recht munter zurück. Gerhard und Genoveva hatten einen Aal gefangen, den sie triumphierend in
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