Der Fall Carnac
einem gelben, von den Nachbarn am Strand geliehenen Eimer anbrachten.
»Wirklich ein schöner Aal, gut seine zwanzig Zentimeter lang.«
Don Ameal bewunderte den Fang, dann verabschiedete er sich von den Kindern und wünschte ihnen schöne Ferien.
»Vor allem sprecht mit keinem Menschen über diesen Diebstahl! Ich werde mich selbst darum kümmern. Ich habe Freunde in einflußreichen Stellungen.«
Sidi wurde mit Liebkosungen überschüttet und erwiderte, den Kopf aus dem Fenster der Wagentür gestreckt, die Lebwohlwünsche der Kinder mit einem aufgeregten Wau, Wau.
»Ich bin tot!« rief Anne und ließ sich auf die Stufe vor der Haustür sinken.
Aber sie richtete sich sofort wieder auf.
»Wo hast du übrigens die Bilder versteckt?«
Nun mußte alles erzählt werden, von der Entdeckung des Stoffetzens in Kikris Schnabel bis zum Eintreffen Don Ameals.
Zuerst zogen die Jungen ein geringschätziges Gesicht. Diese Beweise schienen doch allzu dürftig. Sie hatten die Farbe von Don Ameals Jacke nicht einmal bemerkt. Hatte er denn bei dieser Hitze überhaupt eine Jacke an? Nicht einmal das war gewiß.
»Und zunächst, wer ist dieser Don Ameal denn nun wirklich?«
»Ich glaube, Antiquitätenhändler«, erwiderte Anne. »Er hat hier auf dem Lande einen Haufen alte Möbel gekauft. Die Kinder von den Menhiren nennen ihm die Häuser, wo er alte Sachen finden kann.«
»Ich kann nicht glauben, daß Don Ameal ein Dieb ist«, erklärte Ludwig entschieden. »Eure Geschichte ist nicht stichhaltig.«
»Bestimmt ist diese Geschichte nicht stichhaltig«, bekräftigte Peter und zuckte die Achseln.
Das Ganze verdroß die Jungen ein wenig. Ihre Rolle hatte sich darauf beschränkt, Postenrunden zu machen. Für sie waren die Feinde die beiden Männer im Zelt, und davon ließen sie sich nicht so leicht abbringen. Trotzdem veranlaßte die Bestimmtheit, mit der Line ihre Gründe auseinandersetzte, sie zum Nachdenken. Noch einmal spielte das Mädchen die Ankunft und die Bewegungen Don Ameals bis zu dem Augenblick, wo er tastend in die Nähe von Kikri kam und dieser ihn, unsanft geweckt, angriff.
Die Szene war so lebendig, daß Gerhard plötzlich aus vollem Halse schrie: »Pack ihn, Kikri!«
Alle mußten laut lachen. Doch nun hatte ihre Erregung den Höhepunkt erreicht, und jeder dramatisierte den Vorfall noch auf seine Weise.
»Das ist ein internationaler Verbrecher!« rief Gerhard. »Wir müssen ihn fangen und fesseln.«
»Armer Sidi!« murmelte Genoveva.
»Laß Sidi aus dem Spiel!« entgegnete Peter erbittert. »Das werden wir alles noch feststellen. Und was hältst du nun also von diesen Bildern, mal ganz genau!«
»Ich meine, daß das eine sehr wertvoll ist«, erwiderte Line. »Man stiehlt im Augenblick überall Bilder. Kommt, seht es euch selber an!«
Sie blätterten alle in den Zeitungen.
Diebstahl in London. Diebstahl in Aix-en-Provence. Diebstahl in Saint-Tropez.
Ein paar Minuten lang sprach man nur von Millionen. »Euer Bild ist vielleicht zehn Milliarden wert!« rief Gerhard.
»Dann wäre Mama ihre Sorgen los«, sagte Anne. — »Sei doch nicht blöd!« warf Peter ein. »Und zunächst mal, wo ist denn dieses Bild überhaupt?«
»Ich habe es versteckt«, erwiderte Line. »Als Don Ameal kam, dachte ich sofort daran, es in Sicherheit zu bringen.«
»Und wo?«
»Sag es nicht!« rief Ludwig.
»Warum nicht?«
»Wir wollen es suchen. Wenn das Versteck gut ist, finden wir es nicht. Ist es schlecht...«
»Na, hör mal!« sagte Peter verächtlich. »Du glaubst, wenn wir wirklich richtig suchen, würden wir es nicht...«
»Probiert’s doch!« entgegnete Line. »Dann werdet ihr’s ja sehen. Wenn ihr es nicht findet, sage ich euch, wo es ist.«
»Nein!« rief Gerhard. »Sag es nicht! Wenn uns die Verbrecher dann foltern, können wir das Geheimnis nicht verraten.«
»Ach, du mit deinen Verbrechern!«
Sofort machten sich alle auf die Suche. Alle Zimmer wurden genau durchstöbert, die Schränke und Kommoden ausgeräumt.
»Ist es im Haus?«
»Ja«, erwiderte Line.
Gerhard klopfte die Wände ab und untersuchte das Parkett. '
»Ist es bei mir heiß?« fragte einer der Suchenden von Zeit zu Zeit.
Doch darauf antwortete Line nicht. Sie bereitete ruhig das Abendessen vor, während das Haus von ärgerlichen Ausrufen widerhallte.
Schließlich war der Hunger größer als die Hartnäckigkeit der Suchenden. Es war schon recht spät, und alle kamen zu Tisch.
Ein triumphierendes Lächeln um den Mund, trug Line die Suppe
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