Der Fall Carnac
auf.
»Du hast gewonnen«, gab Peter schließlich zu. »Kein Mensch ist imstande, das Bild zu finden.«
»Aber es waren ja zwei!« rief Ludwig. »Es ist ihr also gelungen, alle beide zu verstecken.«
In seiner Stimme klang aufrichtige Bewunderung.
Als der Hunger gestillt war, begann die Unterhaltung aufs neue.
»Was stellt dieses Bild eigentlich genau dar?« fragte Peter. »Ich habe es überhaupt nicht bemerkt.«
»Ein kleines Mädchen«, erwiderte Anne. »Eine kleine Bretonin mit weißer Haube.«
»Das ist ein Picasso!« rief Gerhard.
»Mein Gott, ist der dämlich!« knurrte Peter.
»Picasso hat doch bloß immer halbe Köpfe gemalt«, erklärte Ludwig.
»Man hat schon Bilder von großem Wert auf dem Heuboden gefunden«, sagte Anne. »Warum sollte
schließlich nicht auch dieses___«
»Es war nicht auf einem Heuboden, es hing an der Wand.«
»Und deshalb hat es Don Ameal bemerkt. Er wollte es organisieren!« rief Gerhard. »Der Möbelkauf, das war überhaupt nur Schein. Was er haben wollte, war das Bild. Weiter gar nichts! Glaubst du nicht, Line?« Gerhards Worte gaben Lines Gedanken so vollendet wieder, daß sie sich mit einer zustimmenden Bewegung begnügte.
»Und glaubt ihr wirklich, daß Don Ameal die Sache jetzt fallenläßt?« fragte Peter.
»Nur gut, daß das Bild nicht mehr da ist!«
»Und die Burschen aus dem Zelt! Ihr habt ihm erzählt, die hätten das Bild gestohlen. Er wird ihre Spur verfolgen.«
»Die Männer aus dem Zelt sind unschuldig«, sagte Gerhard. »Und die müssen sich jetzt zusammenhauen lassen!«
»Halt doch endlich mal den Mund!« rief Peter.
»Aber er hat recht«, erwiderte Anne. »Hast du mir heute nachmittag deshalb so wütende Blicke zugeworfen?«
»Natürlich«, bestätigte Line. »Du warst ja drauf und dran, ihm alle Aufklärungen zu geben.«
»Glaubst du, daß Don Ameal sie suchen wird?«
»Ich fürchte, ja.«
Plötzlich wurden Line überhaupt erst die Folgen ihres Vorgehens bewußt. Aber was hätte sie denn sonst tun sollen in der Eile. Sie hatte nur die Gefahr für das Bild abwenden wollen.
»Man müßte sie warnen«, sagte Genoveva. »Sie waren so höflich.«
»Wie sollen wir sie denn warnen? Sie sind doch fort. Und sie wiederzufinden...«
»Ach«, warf Anne ein, »was habe ich denn groß verra-raten? Fünfundzwanzig Jahre, Bart und Verbrechermiene, das ist alles! Mit dieser Beschreibung...«
»Alle Leute, die zelten, sehen ähnlich aus«, erklärte Ludwig. »Und es gibt Tausende und aber Tausende. Ich glaube, da können wir unbesorgt sein.«
»Jedenfalls werden wir diese Nacht Ruhe haben.«
Trotzdem wurde die Überholwerft verbarrikadiert, die Haken der Fensterläden mit Eisendraht umwickelt und die Außentüren mit Balken gesichert.
Natürlich wurde Kikri auf gef ordert, im Hause Posten zu beziehen. Er ließ sich nicht lange bitten und setzte sich wie am Abend zuvor in den Geschirrschrank.
Als Gerhard die Treppe hinaufstieg, um in sein Zimmer zu gehen, rief er plötzlich: »Und der Aal? Jetzt haben wir ganz vergessen, den Aal zu kochen.«
»Wo ist er denn?«
»Immer noch im Eimer.«
»Armer Kerl!« sagte Anne. »Geh, wirf ihn wieder ins Meer, lauf!«
Man diskutierte eine Weile über das Schicksal des Aales, dann wurde Annes Vorschlag angenommen. Die Jungen unterzogen sich murrend der Aufgabe. »Mir hat er eigentlich auch leid getan«, sagte Gerhard.
»In ein paar Tagen ist er größer. Dann versuchst du, ihn wieder zu fangen.«
Zehntes Kapitel
Line fand keine Ruhe. Immer wieder war sie fast eingeschlafen, und schon wurde sie von einem Bild bedrängt; es war stets dasselbe.
Auf einer sonnenhellen Straße sah sie die beiden Zeltbewohner fröhlich auf dem Rad miteinander plaudern. Ein Auto tauchte auf, ein schwerer schwarzer Wagen, der sie beide erfaßte...
Es war ein entsetzlicher Alpdruck. Was sollte sie tun? Wie konnte sie das verhindern?
Tausend verworrene Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Eine »persönliche Mitteilung« im Radio: »Herrn Ameal Gonzalez, in einem schwarzen Wagen auf der Reise nach Amsterdam, wird mitgeteilt, daß sich das Bild, das er sucht, in Sicherheit befindet.«
Das war so widersinnig, daß Line völlig wach wurde. »Ich werde verrückt«, sagte sie. »Und vielleicht ist die ganze Geschichte von vorn bis hinten Wahnsinn.«
Sie zwang sich, ruhig zu überlegen und die Ereignisse von Anfang an noch einmal zu durchdenken.
Drei Einbruchsversuche, von denen der letzte gelang, aber vor dem eigentlichen
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