Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
als
sonst. Ich hätte mir gewünscht, sie hätten Armin ein blaues Auge für diesen
Tritt verpasst, dann hätte ich mit ihrem Verhalten mir gegenüber vielleicht
besser umgehen können. Armin brach sich einige Wochen später beide Arme, als er
von einem Baum fiel. Ich fand das klasse ... eine gerechte Strafe?
Doch
trotz allem konnte ich mich von meinen Gefühlen ihm gegenüber erst lösen, als
er wegen schlechter Schulleistungen ins Internat musste und somit aus meinem
Umfeld verschwand.
Mittlerweile
war ich dreizehn Jahre und der Nächste, in den ich mich bis zur Selbstaufgabe verliebte,
stand bereits vor der Tür.
Man
mag sich fragen, warum ich mich hier selbst als Täterin bezeichnen kann. Ich
war schließlich erst 11 Jahre alt. Doch mir ist es unmöglich zu sagen, wer
Opfer und wer Täter war. Ein 16-Jähriger hätte sich seines Handelns durchaus
schon bewusst sein sollen. War er also der Täter und ich das Opfer? Oder hatte
ich ihn vielleicht durch mein Bedrängen und die Nachlauferei dazu gebracht und
er war das Opfer, das sich nur auf diese Weise wehren konnte?
Das
zu beantworten liegt nicht in meiner Macht und es soll auch nicht um
Schuldzuweisungen
gehen.
Aber eins ist mir klar geworden. Der Beginn meiner Karriere als Stalkerin hat irgendwo
in diesen Jahren ihren Ursprung, was sich, rückwirkend betrachtet, an dieser Geschichte
deutlich abzeichnet.
Es ist schön, im Sommer
unbefangen mit anderen Kindern im Garten zu spielen und zu toben. Es hätte
schön sein können.
Ich
erinnere mich noch genau an diesen einen Tag in dem Sommer, als ich zwölf war. Linda,
ich, einige ihrer Geschwister und die Clique meiner Brüder tobten ausgelassen
im Garten der Familie Deitmer. Armin war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im
Internat und an diesem Nachmittag ebenfalls dabei. Wir rannten auf der Wiese
hin und her und spielten Fangen. Selbst die Älteren machten mit und wir hatten
eine Menge Spaß. Natürlich war ich glücklich, dass Armin „mit mir“ spielte und
fast mein gesamtes Denken und Tun bezog sich, wie immer in den Jahren,
ausschließlich auf ihn.
Deitmers
hatten einen kleinen Hund namens Billy. Ich liebe Tiere schon, solange ich
denken kann. Egal ob Hund, Katze, Ameise, Schnecke, Regenwurm oder
Blindschleiche. Jedes Tier, das sich in irgendeiner Form in einer prekären Lage
befand, wurde von mir gerettet. Irgendwann handelte ich mir deswegen sogar
einen Eintrag ins Klassenbuch ein, weil ich auf dem Weg zur Schule hunderte von
schwarzen Schleimschnecken vor dem sicheren Vertrocknen rettete, indem ich sie
in die Gärten verteilte, die auf dem Schulweg lagen.
Es
war Hochsommer und es versprach, ein sehr heißer Tag zu werden. Diese kleinen
Kreaturen, vom nächtlichen Tau auf den Gehweg gelockt, krochen nun in Scharen
vor meinen Füßen herum. Fast eine ganze Schulstunde kam ich zu spät und auf die
Frage, wo ich denn abgeblieben sei, gab ich wahrheitsgetreu Antwort. Man glaubte
mir natürlich kein Wort und der Eintrag wurde gemacht.
Ein
lautes Jaulen und dann ein herzzerreißendes Winseln. „Mensch, du blöde Kuh,
pass doch auf!“ Im Eifer des Gefechts und bei der wilden Toberei ist es
passiert: Mit voller Wucht trat ich Billy auf seine Vorderpfote. Sie schwoll sofort
an und die versammelte Mannschaft stand nun voller Mitleid um den winselnden
Hund herum. Linda beschimpfte mich und die anderen straften mich mit
Nichtachtung. Unendlich schuldig, klein und minderwertig trifft wohl das Gefühl,
das ich in diesem Moment durchlitt. Ich kämpfte mit den Tränen und lief
schließlich weinend nach Hause.
Das
Zimmer abgedunkelt. Musik. Ein trauriges Lied. So schaukelte ich mich weinend
in den Schlaf. In meiner Erinnerung taucht nicht auf, dass irgendjemand über diese
Sache noch mal ein Wort verloren hätte. Der Hund hat sich jedenfalls schnell
erholt und die Schwellung war nach ein paar Tagen nicht mehr zu sehen. Ich
hingegen fühlte mich über eine unendlich lange Zeit wie eine Schwerverbrecherin
und war gequält von Schuldgefühlen.
Eva - 2007
Der
Sommer 2007 steht also unter einem Namen: Maik. Es hat ganz harmlos begonnen
und mehr als einmal fühle ich mich schuldig daran, dass es überhaupt passiert.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist mir nicht wirklich bewusst, was mit Daniela los ist.
Meine eigenen unschönen Erfahrungen mit ihrer teils penetranten, nervtötenden
Art sind zu lange her, nicht mehr „warm“. Und von den letzten ihrer
Beziehungen, die ich brechen sah, kenne ich hauptsächlich ihre
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