Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
auch um die therapeutische Wirkung, denn
die Tage dieses seltsamen Monats haben auch in mir angefangen, zerstörerisch zu
wüten. Wüten kommt von Wut und genau diese Wut, zu der Daniela nicht fähig sein
will, wächst in mir und fordert Platz. Ich überlese den Satz „Werde das
erste Mal in meinem Leben nicht stalken“ absichtlich und mit Wut im Bauch,
denn es hat schon begonnen. Ich bin wütend über Aussagen wie „auch mal MICH
und MEINE GEFÜHLE zu beachten“ , denn um nichts anderes geht es seit Wochen,
ach was sage ich, seit Monaten.
Anfangs
habe ich erzählt, dass ich Daniela schätzen lernte, weil sie ein Kumpeltyp ist,
Humor und ein offenes Ohr hat. Wenn ich nun die ganze Zeit summiere, ich der
ich mit Daniela näher zu tun habe – die Unterbrechungen ausgenommen – und mir
vorstelle, diese Zeit wäre ein Kuchen, der in zwölf Stücke geschnitten ist,
dann gibt es ungefähr zwei „gute“ Stücke, in denen all das zutrifft, zwei
„zufriedene“ Stücke, in denen sie auf einem Ottonormalverbraucherlevel lebt,
und die restlichen acht Stücke sind verdorben.
Der
Tag, an dem ich beschloss, offensiv auf sie zuzugehen und mir im wahrsten
Wortsinn den „Feind zum Freund“ zu machen, damit sie endlich mit ihren Nachstellungen
aufhört, lässt sich irgendwo zwischen den zufriedenen und guten Stücken
platzieren. Etwa acht Jahre ist dieser Tag her und damals war sie noch mit Tim
verheiratet, ihrem ersten Mann, meinem Exfreund.
Müsste
ich einen Kuchen aufteilen, der in dieser Zeit gebacken wurde, wäre das
Verhältnis zwischen den guten, zufriedenen Stücken zu den verdorbenen etwas entspannter.
Die über zehn Jahre andauernde Ehe war von Hochs und Tiefs geprägt, sicher,
doch sie hat Daniela eine gewisse Basis geboten, auf der sie zwar immer wieder
über die Stränge schlug, die sie aber auch mehr als einmal wieder ruhigstellte.
Wenn
ich heute darüber nachdenke, wäre diese Freundschaft im „verdorbenen“ Bereich
nie entstanden. Es war ihre fröhliche, offene Art, der Charme, zu dem sie fähig
ist, und die unglaubliche Überzeugungskraft, mit der sie ihre Stellungsnahmen
verkaufen kann, die mich für sie einnahmen. Das jammernde Häufchen Elend, das
sie heute ist, hätte ich nicht um mich haben wollen. Bestimmt nicht.
Noch
am selben Tag – Stunden später – erhalte ich eine weitere E-Mail.
Du wirst lachen, ich bin bereits
fleißig am schreiben und es fließt mir nur so runter. Aber es gibt zwei Dinge,
vor denen ich panische Angst habe: Die Stalkingsucht JETZT zuzulassen UND mich
in de Musikwelt zu verlieren, um darin in Fantasien und Traumwelten
unterzugehen. Ich habe das ein ganzes Leben lang getan, ich kann und will
es nicht mehr. Aus diesen Gründen habe ich mich heute dazu durchgekämpft, einfach
anzufangen. Ich sitze schon fast den ganzen Tag daran ...
Wenige
Tage später sitzen wir uns erneut gegenüber. Noch immer liegt der Herbst über
dem Land, der so plötzlich eingezogen ist, und passt sich der allgemeinen
Stimmung an. Sie schreibt ihr Leben auf – in Fragmenten oder ganzen Chroniken.
Ich muss sie bremsen oder aufmuntern, konkreter zu werden, sie lässt es einfach
laufen wie die Tränen und in Bächen rinnt ihr Schicksal aus ihr heraus. Auf dem
Papier findet sich nichts und alles und mir ist in dem Moment noch nicht klar,
welche Arbeit sich dahinter verbirgt, aus dem ganzen Durcheinander ein
strukturiertes „Etwas“ zu formen.
Über
allem thront Maiks Aura, die sie einhüllt in einen grauen Mantel, der weder
wärmt noch schützt. Ihre Gegensätzlichkeit wird deutlicher, ihre Augen bewegen
sich hektischer und ihr Lachen klingt unecht, eingemauert in Schreie um
Mitleid, nach Selbstmitleid. Ich selbst fühle mich im Augenblick unfähig zur
Objektivität. Alles, was ich aufliste, klingt so, als hätte es besser laufen
können, scheint mir aber für ein lebenslanges Trauma zu unklar. Das Elternhaus,
die Unsicherheit dieses Persönchens, ihr Drang zum Anbiedern und ihr Betteln
nach Beachtung … wie weit kann und darf so etwas reichen? Kindheitserfahrungen
können zerstörerisch sein, doch gerade die Sache mit Armin, die jetzt erst vollkommen
offengelegt ist und über Jahre hinweg in ihren Andeutung immer „die Vergewaltigung“
hieß, wird jetzt in einem anderen Licht beleuchtet. Fast schäme ich mich schon
für meinen Gedanken „selbst schuld“ sagen zu wollen. War nicht sie es, die
diesem Jungen so penetrant ihre Gefühle auf die Pelle gebunden hat, bis er die
Nase
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