Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Liebeswahn
standhält. Und ich frage mich immer öfter, ob es tatsächlich die Männer sind,
um die es geht, oder ob alles einfach nur darum dreht, nicht alleine zu sein,
akzeptiert und gehalten zu werden – ziemlich unabhängig davon, wie derjenige
nun heißt. Gleichzeitig schelte ich mich eine Närrin. Natürlich geht es nicht
um irgendeinen gesichtslosen Typen. Funken müssen da schon springen, sie hat es
nicht nötig, dem Erstbesten das Laken zu öffnen. Doch diese exzessive
Selbstaufgabe, dieser Wahn um die Einmaligkeit, in die Daniela sich immer
wieder – immer und immer wieder – verrennt, ist kaum zu toppen.
Man
reicht ihr die Hand, um guten Tag zu sagen, und sie legt ihr ganzes Herz
hinein. Schaurig? Ein wenig schon.
In
all den Jahren habe ich gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen und zwischen den
Worten zu hören. Die feinen Nuancen, die sie so energisch versucht zu
unterdrücken, hallen wie Hammerschläge auf Marmor und verbreiten ihr Echo
meilenweit um sich herum. All die Namen, all die Lieben, all die Abstürze und
Höhenflüge, sie sammeln sich zu einem einzigen Donnergrollen, in dessen
Mittelpunkt Danielas Antlitz zu sehen ist. Demütigung, Angst, ja Panik, dieses
unbegreifliche Nicht-Loslassen-Können, die sinnlose Nachlauferei hinter all diesen
Typen, dieser Selbstbeschiss – ich bin drüber weg, macht mir alles gar nichts
aus, lass uns Freunde bleiben, gelegentlich mal poppen, wir schulden uns ja
nichts, aber als Mensch bist du mir wert, tust mir gut, ich brauch das ab und
an, dich zumüllen zu können – ein einziger Aufschrei, eine blinde Suche nach
Liebe, die gefunden werden will, die verloren geglaubt ist, und doch so nah. So
eng und greifbar, dass man sie packen und mit der Nase hineindrücken will.
„Lerne
endlich leben“, sage ich zu ihr. „Achte dich selbst, sonst kann dich niemand
achten.“
Wie
ein ängstliches Häschen sitzt sie da. Wie echt ist sie? Wie ängstlich wirklich?
Wie tief sitzen diese Wunden und was von alledem ist Bequemlichkeit, eine
Faulheit, wie sie Menschen oft an den Tag legen, die mit ihren Strategien ganz
gut durchs Leben kommen. Künstler, Lebenskünstler, hier und da ein paar Tränen
verdrückend und aus den Augenwinkeln schielend, ob man endlich das Ziel
erreicht hat und das eingeforderte Mitleid geweckt wurde. Daniela hat Ehrgeiz,
oh ja. Die Menschen, um die sich ihr Leben gerade dreht, kann sie sehr ehrgeizig
verfolgen.
Ist
ihr zu trauen, oder kann ich mir – wenn ich nur lange genug in ihrer Gegenwart
bin – selbst nicht mehr trauen?
Daniela
Meine Wut ist wie ein Fluss, den
man verrohrt und seiner Auen beraubt hat..
Bei
uns zu Hause wurde nie über Gefühle gesprochen. Sie wurden entweder unterdrückt
und nicht ernst genommen – das war das, was meine Mutter vorlebte – oder sie
wurden auf derbste Art und weise ausgelebt. Einseitig ausgelebt. Das war das,
was mein Vater vorlebte. Er stand ständig unter Spannung und war wie ein Vulkan,
der jederzeit ausbrechen konnte. Diese Wutanfälle waren ständig und überall
präsent und es war egal, ob es an einem heiligen Abend war oder auf einer
Beerdigung. Er explodierte, wann und wo er wollte. Es schlug zwar nie mit
Fäusten, aber mit Worten ... Für mich als seine kleine Imitatorin hatte das
fatale Folgen.
In
unserer Familie waren Wut und Zorn gleichgestellt mit „schlecht, böse,
unsachlich, unbeherrscht, unkontrolliert, unglaubwürdig“, es viel sogar hier
und da das Wort „schwachsinnig“.
Für
meinen Bruder Sven war unser Vater ein Schwachkopf für mich war er ein
Arschloch, Kevins Namen für ihn kenne ich nicht, aber er machte um unseren
Vater stets einen Bogen (wenn er die Chance hatte). Für meine Mutter war er der
Unterdrücker, Quälgeist, Tyrann und, wie ich später nebenbei erfahren musste,
auch ihr Vergewaltiger.
Ich
war ein Kind ohne jegliche Orientierungsmöglichkeiten innerhalb der Familie.
Ich fühlte mich deshalb unendlich alleine und in meiner kleinen Welt bis ins
Mark missverstanden. Da ich allerdings schon recht früh die lauten Charaktereigenschaften
meines Vaters imitierte, schlug mir von der Seite meiner Brüder tiefe Abneigung
entgegen. Auch meine Mutter konnte mit meiner Wut nicht umgehen und sie wollte
es auch nicht. Was niemand wusste oder wissen wollte, war allerdings, dass ich
mit meiner Wut laut um Hilfe schrie! Das Einzige, das ich erfuhr, war
abgrundtiefe Ablehnung gegen mich als ganze Person. Denn ich war genauso wie
der „Alte“ und das war
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