Der Fall der Feste
kamen während ihres langsamen Vormarschs immer näher, um sie ganz in ihren Griff zu nehmen.
Ein Griff, dem sie sich zäh und unerbittlich entgegenkämpften.
Die Mauer in ihrem Rücken verschlang alles Licht und schien sich über ihre Köpfe hinüberzuwölben. Der Kampflärm klang hohl im Trog der beiden gegenüberliegenden Mauern, die wie ein flacher Trichter zum Rachen des offenstehenden Tors hin führten. Das Schwerterklirren wurde darin zu einem bloßen hallenden Klappern, die Schreie klangen wie tief aus einer Schlucht heraus, Geisterstimmen ohne Substanz und Präsenz, deren Wut und Schmerz und Hass von den Lippen gerissen, verschluckt und zerfasert wurde.
Auric blickte umher und sah mit Schrecken, wie wenige von ihrer ursprünglichen Truppe noch übrig geblieben waren. Fast die doppelte Anzahl von Kinphauren, so schätzte er, stürmte dagegen über die Kette von Leichen hinweg, die sie bei ihrem Rückzug zur Wand des Torbaus hin, zurückgelassen hatten. Ein Rückzug, der ihm jetzt gar nicht mehr wie eine so gute Idee vorkommen wollte.
Ein Ruf erklang, und die Kinphauren ließen aus Gefechten ab. Sie schlossen ihre Reihen, um sich zu einer neuen Angriffswelle zu sammeln, und Auric blickte sich vorbeugend die eigenen Reihen entlang, entdeckte noch immer die vertrauten Gesichter von Davernian, Nefraku, Vortig und von Jag – Jag, der ihm aus blutbeflecktem Gesicht ein grimmiges, wölfisches Grinsen zuwarf. Noch immer da, noch immer bereit, Spitzohren in die Hölle zu schicken.
Der schwere, ungeschlachte Umriss des Homunkulus tauchte jetzt wieder hinter den Reihen der Kinphauren auf. Der glatte, langgezogene Tierschädel ruckte zu ihnen hin, und man sah über die Köpfe hinweg das spielerische Zwillingsschwirren der beiden von ihm geführten Klingen. Ein beidhändiges wirbelndes Kreisen vor der Düsternis der Talhänge im Hintergrund. Der Homunkulus führte zwei Fechtspeere. Auric erkannte es mit Erstaunen.
Der Homunkulus brüllte den Kinphauren seine Befehle zu, und jetzt hörte man deutlich, es waren klare Silben, Sätze in einer fremdartigen Sprache. Die Worte klangen fremd, doch so wie sie im hohen Trichter des Torbaus emporhallten, klangen sie wie von einer Stimme aus dem Geisterreich; verzerrt und rau, doch wie ein Echo von etwas, das von weit weg, aus dem Land der Toten herüberklang. Ein plötzlicher unwillkürlicher Schauder überfiel Auric.
Er blickte umher, drehte den Kopf in Richtung der Feste, die als Mauer in ihrem Rücken alles Licht verschluckte, suchte nach einem Ausweg, da ihr ursprünglicher Plan, sich an den Wällen des Torbaus als Flankenschutz Richtung Talausgang durchzukämpfen, angesichts der Übermacht der Kinphauren kaum noch durchführbar erschien. Doch da waren nur das sich türmende Monster über ihnen, darunter, hinter ihnen die steilen harschen Wände des Torbaus und dann – der Trichter der sich öfffnenden Mauern zog seinen Blick unfehlbar dorthin – das weit offene, dunkel gähnende Tor in die Feste.
Ein Blick zur Seite, und durch das Gestrüpp von Waffen und Gliedern blickte er Jag in die Augen, direkt und eindringlich als ständen sie einander auf Schrittweite gegenüber. Langsam glitt auch Jags Blick, den von Auric zurückverfolgend, zum Tor hin, dann wieder zurück zu Aurics Gesicht. Jag nickte knapp, mit ausdruckslosem Gesicht.
Auric schrie – die Kinphauren stürmten dabei zu einer weiteren Angriffsfront vor – das Kommando in ihrer Kampfsprache für Zurückweichen in geschlossener Formation, sah in der Peripherie seines Blicks die Beine der Kämpfer vorderster Reihe einen Schritt zurücktun, wie Körperteile eines einzigen vielgliedrigen Organismus, hörte das Scharren ihrer Füße auf dem Stein der massiven Bodenplatten.
Die Kinphauren drängten nach. Eine Welle aus schwarzer Panzerung, Kettenhemden, bleicher Haut und Klingen, stürmte vor. Dann war ihr rasches Zurückweichen zu Ende, und es kam der Moment, dem Angriff standzuhalten. Das Schwert hoch, ein Geprassel und Geklirr aus Klingen, eine ertaubende, zermürbende Brandung. Eine Welle aus Mord. Ein Gewebe aus Reflexen und halbbewussten Abläufen. Ein Hauen, Blocken, Umsichschlagen.
Das Tor bot der Schlacht einen Rahmen, eine Begrenzung zu den Flanken hin, die nicht umgangen werden konnte. Es war tief, mehr wie ein Schacht als eine Fassung, die bloß Türflügel halten sollte. Das tat das Tor auch nicht; es gab keine Türflügel. Oder Angeln. Oder irgendeine Aurics im Kampfgewirr notwendigerweise
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