Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
Vom Netzwerk:
stinkst noch immer. Geh spülen.› Vier-, fünfmal hat sich das wiederholt, so lange, bis es der Neumann aufgegeben hat. Sein Heft ist leer geblieben. Ein blankes Nicht genügend .»
    «Scheiße.»
    «Am selben Nachmittag haben wir uns drüben im Kaffee Neumann versammelt.»
    «Der Iden-Club …»
    «Ja. Der Iden-Club. Damals ist fast ein bissel Solidarität aufgekommen. Aber nur fast. Geschimpft haben wir halt, in Rachephantasien sind wir uns ergangen. Lächerlich. Der Breitner hat gemeint, wir sollen über den Grinzinger herfallen wie der Senat über Caesar. Und der Söhnlein ist ganz nervös geworden. ‹Ja, ja›, hat er gestammelt, ‹das machen wir … Aber zuerst will ich noch maturieren …› Derweil ist der alte Neumann mit seinem Judenkappi hinter der Buddel gestanden und hat den Kopf über uns geschüttelt.»
    «Kippa», sagt der Lemming.
    «Was meinst?»
    «Kippa. Nicht Kappi. Jüdische Kopfbedeckung …»
    «Ja, das stimmt. Ein Jud war er … Wo war ich grad?»
    «Dass nix rauskommen is bei unserem stolzen Verschwörertreffen», sagt Steinhauser. «Aber ein paar Tage später die Scheißaktion mit der Buttersäure … Der Serner, der verfluchte Trottel …»
    «De mortuis nihil nisi bene …»
    «Gesundheit. Alle haben geglaubt, dass es der Neumann war, der das Auto vom Grinzinger versaut hat. Alle. Am meisten der Grinzinger selbst. Und damit hat der Terror gegen den Alten begonnen, gegen Davids Vater.»
    «Warum?», fragt der Lemming.
    «Weil der Grinzinger das mit dem Iden-Club herausbekommen hat, ich weiß nicht, wie. Und von dem Tag an wollt er auch das Kaffeehaus fertig machen. Das Kaffee, den Alten, den Jungen, die ganze Mischpoche. Alle auf einen Streich. Er ist rüber ins Kaffee Neumann , jeden Tag ein- bis zweimal, und hat nachgeschaut, ob Schüler drin sitzen. Hat ihre Zigaretten ausgedämpft, hat ihre Namen notiert. Wenn sie aus einer seiner Klassen waren, haben sie ausgeschissen gehabt. Er hat sie am nächsten Tag zur Sau gemacht. Kannst dir vorstellen, wie gesund das ist für ein Lokal, für den Umsatz. Und dann die Razzien. Immer öfter ist die Polizei gekommen, anonymer Anruf, hat es geheißen, Rauschgiftverdacht. Am Ende hat’s sogar Flugzettel gegeben, die waren an die Eltern gerichtet, von wegen üblem Einfluss gewisser schulnaher Lokale auf unsere Kinder …»
    «Scheiße.»
    «Verfickte Scheiße.»
    «Flasche …»
    «Mach die andere auf …»
    «Der David … ist damals immer seltener in die Schule gekommen. Hat versucht, seinem Vater zu helfen … Herzkrank war er auch noch, der Alte …»
    «Und in der Zwischenzeit …» Steinhauser rutscht von der Mauer, stolpert ein paar Schritte auf das dunkle Gebäude zu und wendet sich um, die frisch geöffnete Schnapsflasche in der Hand. Er glotzt zu den beiden anderen hin und versucht, ein schiefes Grinsen aufzusetzen. «In der Zwischenzeit … wenn der Neumann gefehlt hat: ‹Nun, meine Herren, da wir heute ausnahmsweise unter uns sind, können wir uns ja der Arbeit widmen. Obwohl ich bei den meisten von euch sehr bezweifle, dass die wenigen störungsfreien Tage für einen positiven Abschluss reichen werden. Besonders bei denen nicht, die sich lieber an gewissen Orten und mit gewissen Leuten die Zeit vertreiben, als sich um ihre Studien zu kümmern. Ich weiß, wovon ich spreche, Herrschaften. Wer im Leben weiterkommen will, der achtet auf seinen Umgang. Manche Leute sollen besser dahin gehen, wo sie hingehören. In den Hades, meinetwegen, aber sicher nicht in die Nähe der Schule, an der ich unterrichte …›»
    Steinhauser torkelt, driftet ab und fällt. Schlägt dumpf auf dem Boden auf, die Flasche hoch in die Luft gestreckt – ein lange eingeübter Reflex.
    «Nix passiert», ächzt er, «Zwetschke geborgen …»
    «Das hat er gesagt … der Grinzinger?», fragt der Lemming Sedlak, der neben ihm auf den Boden stiert.
    «Das hat er gesagt. Das ging monatelang. Bis zum großen Showdown …»
    «Showdown.»
    «Ja … ein Freitag im Mai. Wir haben nicht viel darüber erfahren … nur der Breitner, der Rasta-Max, hat’s angeblich miterlebt … Gerüchte … Der Grinzinger soll nach der Schule hinüber sein, ins Kaffeehaus, und er soll dem Alten so zugesetzt haben, dass er … na ja. Der ist umgekippt. Herzkasperl. Wir haben’s erst am Montag darauf erfahren. Und das vom David auch. Der ist noch am selben Abend … Sie haben eine Rettungszille gefunden, unten auf der Donau, schon fast in Hainburg. Da waren seine

Weitere Kostenlose Bücher