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Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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glänzende Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Wortlos beginnt sie sich auszuziehen, öffnet ihr Baumwollhemd und streift es über die Schultern. Ihr Körper. Schlank, beinahe knabenhaft. Kleine, feste Brüste wölben sich aus dem schimmernden Elfenbein. Der Lemming betrachtet sie, aber nicht lange. Er beugt sich vor und umfängt diese Frau und drückt sie an sich und küsst sie, küsst diesen roten Mund, diese weißen Wangen, lässt seine Lippen ihren Hals entlangwandern, in die zarte Mulde unter dem Ohr, über Täler und Hügel zur duftenden Haut ihrer Achselhöhlen, und noch tiefer, bis hin zu den Vorhöfen südlicher Höhen.
    Klara Breitner atmet schwer. Auf ihrer Stirne schwillt die Ader, kräftig und blau. Aber diesmal ist es kein Zorn, der sie durchpulst. Sie drückt den Lemming aufs Kissen zurück, schält ihn aus dem T-Shirt, aus den Shorts; wie ein dichter Schleier umfließt ihr Haar nun seinen Kopf, und ihre Hüften gleiten über ihn. Sie sehen einander erstaunt in die Augen, während ihr Kern verschmilzt, während alles sich zärtlich durchdringt, tief innen … Fünf Finger streichen Klaras Mähne zur Seite, lüften behutsam den Schleier. Die Sonne fällt ein und erhellt die erhitzten Gesichter. Fünf Finger einer fünften Hand. Dann ein Blitzen, und etwas schiebt sich hart in Klaras geöffneten Mund. Ein dumpfer, erstickter Laut des Entsetzens, sie zuckt zurück, wird von hinten gehalten. Der Lemming bäumt sich auf, ächzt im Schock …
    Diesmal ist es kein Kugelschreiber. Diesmal steckt der Lauf von Krotznigs Pistole zwischen Klaras Zähnen. «Brav stecken lassen, du Beidl …»
    Ein schwerer, sauerer Branntweindunst schlägt dem Lemming ins Gesicht, ein Atem wie zwanzig Bier-Cognac-Menus und drei Päckchen Smart im Augenschein , eine Fahne, die sich gewaschen hat. Oder eben nicht gewaschen hat.
    «Gestern beim Fleischer, des is a Hetz g’wesen, gell, Lemming?», lallt Krotznig. «Da hast dein’ Spaß g’habt …»
    Der Lemming rührt sich nicht. Das, womit er Klara eben noch liebkost hat, ist plötzlich zur Waffe in ihrem Becken geworden, schlimmer, entwürdigender noch als jene Krotznigs in ihrem Mund. Er liegt halb aufgerichtet und vollkommen starr, und er sieht Klaras Augen über sich. Sieht diese Angst, diesen Schmerz, diese unerträgliche Scham in ihrem Blick.
    «Na, was is, Pupperl? Hoppauf! A bisserl mehr Ent … Enthu …, a bisserl mehr Begeisterung, wann i bitten derf! Oder wird er scho weich, der klaane Sitzbrunzer?»
    «Bitte», flüstert der Lemming. «Bitte, Krotznig … Herr Bezirksinspektor … bitte …»
    Langsam zieht Krotznig die Pistole zurück. Presst sie nun auf Klara Breitners Schläfe, während er ihr mit der anderen Hand sanft übers Haar streicht.
    «Fesches Weiberl, das Fräulein Klara», haucht er ihr ins Ohr «nur was die Männer betrifft, da hätt s’ was Besseres vadient … Aber dafür is jetzt der Onkel Adi da, gell, Mausi? Na geh … wer wird denn … Schau her, Lemming, du Sau! Jetzt hast es zum Weinen bracht!»
    Vorwurfsvoll schüttelt Krotznig den Kopf. Der schwarze Lauf der Pistole fährt Klaras Genick entlang, tiefer und tiefer, wandert bedächtig zwischen den Schulterblättern ihr Rückgrat hinunter.
    «Da hätt i was für dei’ Schatzerl, zum Aufmuntern … a Neun-Millimeter-Klistier … Edelstahl … Na, Lemming, was haltst du davon?»
    Krotznigs Zunge zuckt zwei-, dreimal zwischen den gespitzten Lippen hervor.
    «Außer … du sagst dem Onkel, wo die zwa Vogerln aus’n Parterre hing’flogen san. Dei’ zukünftiger Schwager und der Neumann … oder soll i den Diodato nennen?»
    «Krotznig … ich fleh dich an …»
    «Falsche Antwort, Lemming. Alsdann, Fräulein … Bereit? Gemmas an …»
    «Krotznig, bitte … lass sie zufrieden … mach’s mit mir aus …»
    Klara Breitner zittert am ganzen Körper. Sie dreht sich zur Seite, wendet sich ihrem Peiniger zu und …
    Tu’s nicht, denkt der Lemming noch, tu das nicht, um Himmels willen!
    Und sie spuckt.
    Krotznig zuckt nicht mit der Wimper. Der Speichel läuft ihm über die Wange, hängt in glitzernden Tropfen an seinem Schnurrbart. Mit zufriedenem Grinsen drückt er Klaras Kopf auf die Brust des Lemming. Entsichert die Waffe an ihrem Gesäß.
    In diesem Augenblick betritt Huber das Zimmer. «Nirgends zu finden, die … mein Gott …»
    Er macht einen Schritt auf das Bett zu, während sich Krotznig mit dem Rücken zur Tür von der Matratze erhebt, katzengleich, gespannt wie

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