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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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der sagte, Ulvi habe den Tod von Peggy »nicht gewollt«. Hier zitiert das Gericht auch die beiden Polizisten Hamann und Grieshammer, die unter Berufung auf Ulvis Geständnis erklärten, der Angeklagte habe sogar versucht, Peggy wiederzubeleben. Übergangslos folgt dann aber in der Urteilsbegründung der Satz: »Die Kammer ist jedoch zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte, als er Peggy Knobloch Nase und Mund zuhielt, bis sie sich nicht mehr rührte, wusste und wollte, dass Peggy Knobloch hierdurch getötet wurde.« Ein paar Sätze weiter unten zitiert das Gericht erneut den Polizisten Hamann mit der ebenfalls auf dem Geständnis basierenden Aussage, Ulvi sei erleichtert gewesen, »dass sich Peggy nach dem Zuhalten von Mund und Nase nicht mehr rührte«. Warum sollte er sie dann aber wiederbelebt haben wollen?
    *
    Mit dem Urteil war das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Dennoch zeigte sich Oberstaatsanwalt Tschanett mürrisch und schlecht gelaunt, als er sich nach dem Prozess der Presse stellte. Er verwahre sich scharf gegen den Vorwurf, er habe die Anklage leichtfertig erhoben, »nur, um einen Schuldigen präsentieren zu können«. Das Urteil besage eindeutig, dass allein Ulvi Kulac der Täter gewesen sein könne.
    Noch im Gerichtssaal kündigten Ulvis Anwälte Revision gegen die Entscheidung an. Am Abend trat Susanne Knobloch in der Sendung von Johannes B. Kerner auf und erklärte: »Wie der Richter das gesagt hat [das Urteil verlesen hat] – da ist erst mal eine Riesenlast von mir abgefallen. Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen. Mir sind die Tränen gekommen. Dieses Urteil ist eine Genugtuung.«

Teil 3
    Der Skandal
       

Kapitel 21
    Antrag auf Revision
    I hre Ankündigung setzten Ulvis Anwälte schnell in die Tat um und legten beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Revision gegen das Urteil ein. Ein anderes Rechtsmittel war in diesem Fall nicht möglich. Die Jugendkammer des Hofer Landgerichts war zwar die erste Instanz, aber als große Strafkammer mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen laut Strafprozessrecht nicht in der Sache, sondern nur formal angreifbar. Die widersprüchlichen Zeugenaussagen, die fehlenden Beweise, die fehlende Leiche, der Druck der Polizei auf die Zeugen, das absonderliche Zustandekommen des Geständnisses – all das hätte nur mit einer Berufung gegen das Urteil angegriffen werden können, aber die war nicht zulässig. Also mussten die Anwälte nach formalen Fehlern suchen, um eine Revision zu begründen.
    Tatsächlich waren sie überzeugt davon, einen solchen Fehler gefunden zu haben: nämlich den Umstand, dass das Gericht Ulvi Kulacs Geständnis als Beweis akzeptiert hatte, obwohl Ulvi es vor Gericht nicht erneuert, sondern bereits im Vorfeld mehrfach widerrufen hatte.
    Nach gängiger Juristenmeinung ist ein Geständnis, wie bereits erwähnt, nur dann ein zulässiges Beweismittel, wenn es zumindest vor einem Untersuchungsrichter abgelegt wurde. In diesem Fall kann es »durch Verlesung in den Prozess eingebracht werden«, heißt es im Lexikon von Juraforum.de . Ulvi Kulac hat aber nur in Polizeiverhören gestanden, und Geständnisse, die sich nur in Polizeiprotokollen finden, »dürfen zum Zwecke der Beweisaufnahme nicht verlesen werden«.
    Wie so oft in der Juristerei gilt aber natürlich auch immer das Gegenteil, wenn es nur juristisch korrekt begründet wird. So ist es nämlich andererseits erlaubt, einem Angeklagten im Prozess das vorzuhalten, was er der Polizei erzählt hat – und ihn anschließend zu fragen, was er dazu zu sagen habe. Wohlgemerkt: Das diene lediglich dazu, um den Angeklagten zum Nachdenken darüber zu bringen, ob er der Polizei vielleicht doch die Wahrheit gesagt habe, als er die Tat gestand. Falls der Angeklagte nun beim Nachdenken feststellen sollte, dass sein Geständnis stimmt, dann wäre es nett von ihm, wenn er das dem Richter auch so sagen würde. Er hätte auf diese Weise das Geständnis vor Gericht bestätigt, und dann – aber eben auch nur dann – wäre es ein verwertbarer Beweis.
    Im Fall Peggy versuchte das Gericht, genau diesen Hebel gegen Ulvi in Stellung zu bringen. Der Angeklagte indes war nicht so nett, wie die Richter sich das wohl erhofft hatten. Er blieb hartnäckig dabei, dass das Geständnis falsch sei und er Peggy nicht ermordet habe. Sprich: kein Beweis.

    Das Jura-Lexikon weist aber noch auf eine weitere Möglichkeit hin, wie man ein Geständnis im Polizeiverhör trotzdem zu einem Beweis vor

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