Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Peggy Knobloch«. Eine kriminaltechnische Untersuchung seiner Wohnung und seines Autos brachte jedoch keine Ergebnisse. Dennoch wurde das Verfahren bis zum 22. Mai 2002 weitergeführt. Und das, obwohl sich im Laufe der Ermittlungen herausstellte, dass Ulvi Kulac die »vorbezeichnete Schilderung« [dass Mirko wisse, wo die Leiche liege, und sie womöglich auch dorthin verbracht habe] offenbar auf einem Vatertagsausflug am 24. Mai 2001 aufgeschnappt hatte. Die Teilnehmer dieses Ausflugs hatten sich unter reichlich Alkoholeinfluss einen makaberen Scherz geleistet: Einer behauptete, Peggy in seinem Kühlschrank versteckt zu haben, ein anderer prahlte damit, er habe sie »gefesselt und geknebelt und schließlich in einem Flusslauf in der Nähe von Lobenstein abgelegt«. Das war Mirko Scholz gewesen. Ulvi muss diese Phantasiegeschichte für bare Münze genommen haben. Jedenfalls scheint er sie genauso an Hermann und den Pfleger Pötzsch weitergegeben zu haben, bevor er sich plötzlich selbst des Mordes bezichtigte, wie der V-Mann den Ermittlern mitteilte. Die wollten wissen, was denn nun stimmte, und hakten nach. Tatsächlich räumte Ulvi Kulac später ein, er habe Mirko belastet, weil er »sauer« auf ihn gewesen sei. Der habe nämlich »seit längerer Zeit nicht mehr mit ihm« gesprochen und ihn geschnitten.
Einen Tag nachdem das Verfahren gegen Mirko eingestellt worden war, meldete sich überraschend dessen Mutter bei der Polizei. Sie wolle noch eine Aussage machen, zum Fall Peggy.
Die Beamten suchten Edith Scholz umgehend in ihrer Wohnung in Lichtenberg auf und erfuhren, dass sie Ulvi Kulac »zur tatkritischen« Zeit am 7. Mai 2001 auf einer Bank am Henri-Marteau-Platz gesehen haben wollte. Sie habe noch rasch Kerzen für die Geburtstagstorte ihres Sohnes in Bad Steben besorgen müssen und sei sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg an besagter Bank vorbeigefahren. Neben Ulvi habe ein Topf oder eine Schüssel gestanden.
Die Kripo war begeistert. Aber man wollte sich absichern. Die Beamten versuchten nun, die Beobachtung von Frau Scholz durch den Abgleich mit anderen Zeugenaussagen zu bestätigen. Genau das aber bereitete den Ermittlern Probleme: Insgesamt 65 Personen, darunter Schulkinder, Passanten und Angestellte einer nahe gelegenen Firma, die während der fraglichen Zeit Schichtwechsel hatten und zu Ulvi befragt wurden, konnten sich nicht an ihn erinnern. Vermeintlich fündig wurden die Ermittler schließlich in einer Aussage aus dem September 2001 – sie stammte von Mirko Scholz.
Am 13. Juni 2002 wurde Mirko deshalb noch einmal zum Tag von Peggys Verschwinden befragt. Der mag sich darüber gewundert haben, denn er erinnerte die Beamten gleich zu Beginn daran, dass er schon mehrmals Angaben zum Fall Peggy gemacht und die Ermittler damals »auf keinen Fall bewusst angelogen« habe. Ein Nachsatz, der irritiert. Er werde aber versuchen, sich noch einmal in den 7. Mai 2001 zurückzuversetzen. Vielleicht könne er weitere Angaben machen, fügte Mirko hinzu.
Mirko kannte Peggy nach eigenen Angaben gar nicht. Von ihrem Verschwinden habe er erst am Folgetag erfahren. Als Mitglied der Lichtenberger Feuerwehr sei er an der Suchaktion beteiligt gewesen. Am 7. Mai, seinem Geburtstag, habe er einen Tag Urlaub genommen, um die Finanzämter Hof und Naila aufzusuchen. Ob er zwischen 12 und 12.30 Uhr wieder zu Hause gewesen sei, wisse er nicht mehr, die genaue Uhrzeit konnte er in dieser Zeugenvernehmung nicht angeben. Unmittelbar nach dem Essen sei er zu Maria Krautheim gegangen, die ebenfalls am Marktplatz, aber ein gutes Stück oberhalb der Knoblochschen Wohnung lebt. Während er sich mit Maria vor der Haustür unterhalten habe, sei Ulvi Kulac »mit einem Blaumann bekleidet den Schlossberg heruntergegangen. […] Ich möchte auch nicht ausschließen, dass er mich gegrüßt bzw. mir zugewunken hat. Auf alle Fälle kann ich sagen, dass es mir aufgefallen wäre, wenn Ulvi ein Essgeschirr, eine Suppenschüssel oder einen Topf in der Hand gehabt hätte. Dies war nicht der Fall, so etwas wäre mir aufgefallen.« Da er sich gleich wieder der Maria zugewandt habe, könne er auch nicht sagen, ob Ulvi weiter Richtung Marktplatz gelaufen oder möglicherweise rechts in den Bergweg eingebogen sei. »Ich habe mich nicht mehr um den Ulvi gekümmert. Mich hat nicht interessiert, wo er hinging.«
Das war nicht das, was sich die Beamten erhofft hatten. Sie konfrontierten Mirko mit seiner Aussage aus dem Vorjahr – die er nun
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