Der Fall Sneijder
Mitteilungen, Kommandos, Entscheidungen und Verfügungen ging, war auf die Spezialistin für Sprachbefehle Verlass.
Für mich war die Nacht beendet. Und was mein zukünftiges Leben im Schoß dieser Maschinen anging, stand mein Entschluss jetzt schon fest: Ganz gleich, welche Feinjustierung die Techniker an den Sensoren vornehmen würden, von morgen an würde ich jeden Abend vor dem Zubettgehen das System abschalten.
Früher hätte ich ein so unsanftes Erwachen mitten in der Nacht dazu genutzt, Anna das Frühstück vorzubereiten, ihr eine Orange oder einen Apfel zu schälen, einen Kaffee oder einen Tee zu kochen, den Tisch zu decken und Brot in den Toaster zu stecken. Doch inzwischen sind wir uns so fremd geworden, dass mir derartige Aufmerksamkeiten völlig deplatziert erscheinen.
Am späten Vormittag stellten die beiden Installateure ihre Leitern also wieder auf, kletterten hinauf und hinab und hantierten mit ihren Messgeräten. Ihre Handgriffe wirkten alles andere als zielgerichtet. Man spürte, wie unsicher und zögerlich sie waren. Ich überließ sie ihrer Ratlosigkeit, ohne ihnen auf die Nase zu binden, zu welch radikaler Lösung ich bei Einbruch der Nacht schreiten würde. Dreimal zuckte ich zusammen, als sie das Ergebnis ihrer Nachjustierungen prüften; das Alarmsignal war so gellend laut, dass die Stromleitungen zu schmelzen drohten. Als die Techniker ihr Material zusammenräumten,war der Fortschritt gleich null und die Maschinen registrierten ebenso eilfertig wie zuvor jeden kleinsten Eichhörnchentapser.
»So. Wir sind fertig«, sagte der Teamchef. »Allerdings ist das Ganze noch immer recht sensibel.«
»Was heißt sensibel?«
»Dass der Alarm wie gestern von einem vorbeihuschenden Tier ausgelöst werden kann.«
»Ich glaube nicht, dass meine Frau diese Geräte angeschafft hat, um Nagetiere in die Flucht zu schlagen.«
»Da bin ich ganz Ihrer Ansicht. Mehr ist manchmal weniger.«
»Das heißt, das Geheule kann jederzeit wieder losgehen?«
»Das ist der Preis, den man zahlen muss. Wir haben die Sensoren jetzt auf das Minimum eingestellt, aber Sie haben selbst gehört, es bleibt grenzwertig. Wenn der Alarm losgeht, geht er los, das ist natürlich nicht angenehm. Einerseits, und das sollte Sie beruhigen, genießen Sie auf diese Weise hundertprozentigen Schutz vor Einbrechern. Das sage ich den Kunden immer, dieses System lässt sich gut mit einem starken und wirkungsvollen Medikament vergleichen. Doch wie alle starken Medikamente hat es Nebenwirkungen. Das wird Ihnen jeder Arzt bestätigen.«
Wäre Anna da gewesen, hätte der Pharmalehrling wenig Gelegenheit gehabt, seine Erklärungen noch länger auszuführen, sondern wäre ruckzuck wieder auf die Leiter gestiegen, um seinen hyperaktiven Sensoren ein für alle Mal den Unterschied zwischen Normalfall und Notfall beizubringen. Was der Elektriker auch nicht wusste, war, dass er aufgrund meines radikalen Entschlusses einen Mann vor sich hatte, der ihnvor den wiederholten Angriffen meiner Frau auf seinen persönlichen Bereich schützen würde; denn sie hätte ihn zweifellos bis in seine »Komfortsphäre« hinein bedroht und verfolgt und diese auf deutlich weniger als die vom Autor des Pedestrian Planning and Design empfohlenen 0,9 Quadratmeter reduziert.
Kaum hatte meine Frau die Wohnungstür durchschritten, fragte sie mich nach den Arbeiten, die die Leute von Locksmith Digital durchgeführt hatten. Zerstreut antwortete ich, dass sie getan hatten, was zu tun war.
Ich hatte mit Anna noch nicht über meine zukünftige Tätigkeit auf der Insel gesprochen. Ich wusste schon im Voraus, was sie davon hielt. Nach dem Abendessen setzte ich mich neben sie aufs Sofa, wo sie bei einem Glas Rotwein gedankenverloren durch die Fernsehkanäle zappte.
»Ich habe eine neue Stelle gefunden.«
»Einen Bürojob?«
»Nicht wirklich. Eher eine Arbeit an der frischen Luft.«
»Was meinst du mit an der frischen Luft?«
»Draußen, auf der Straße. Genau genommen auf der Insel.«
»Auf der Ile des Sœurs?«
»Ja.«
»Und worin besteht diese Arbeit?«
»Dog Walker.«
Ich wählte die englische Bezeichnung, um den Schock zu mildern, den Aufschlag zu dämpfen, von dem ich sehr wohl wusste, wie brutal er sein konnte.
»Dog was?«
»Dog Walker, Hundeausführer. Und an manchen Wochenenden Handler bei Wettbewerben.«
»Du willst Hunde ausführen? Du willst auf der Ile des Sœurs Hunde ausführen?«
»Genau.«
»Du hast dich in deinem Alter als Hundeausführer anstellen
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