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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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lassen? Das ist doch ein Job für Kinder! Das ist völlig aberwitzig! Du wirst mir den Gefallen tun und dir diese Idee gleich wieder aus dem Kopf schlagen. Ich glaube langsam wirklich, du verlierst den Verstand.«
    »Ich werde diese Arbeit machen. Und ich fange kommenden Montag an.«
    »Und was ist ein Handler?«
    »Bei Wettbewerben müssen Rassehunde vorgeführt werden, man läuft neben ihnen her. Es ist zwar ein bisschen lächerlich, aber die Wettbewerbe finden nur zweimal im Monat statt.«
    »Ein bisschen lächerlich? Hunde aus- und vorführen? Hast du eigentlich mal an mich gedacht, wenn mich die Freunde bei Bell fragen, was aus dir wird, und ich Ihnen antworten muss: ›Oh, es geht ihm gut, er hat die Kurve gekriegt und einen Job gefunden, der ihm gefällt, er führt Hunde aus.‹ Ich kann einfach nicht glauben, dass du ernsthaft auf diesen Gedanken verfallen bist!«
    »Denk doch, was du willst, im Moment ist diese Stelle jedenfalls genau das Richtige für mich. Ich brauche Zeit, ich muss draußen sein, spazieren gehen. Ich kann nicht mehr wie vorher leben.«
    »In dem Fall solltest du eine Therapie erwägen! Es gibt Leute, die machen das beruflich. Was erhoffst du dir von den Hunden? Merkst du eigentlich gar nichts mehr?«
    »Ich bin es leid, Anna. Ich bin es leid zu sehen, dass dunichts, aber auch rein gar nichts verstehst, dass du nichts siehst. Du gehst mir auf die Nerven mit deinen Alarmanlagen und deinen High Potential- Welten. Ich verstehe nichts von dem, was du sagst oder tust. Das einzige, das mir in unserem Haus noch lebendig erscheint, ist die Asche meiner Tochter. Nachts lese ich Bücher über Aufzüge, ich versuche zu begreifen und weiß nicht einmal, was. Ich suche nach etwas, doch habe ich nicht die geringste Ahnung, was es sein könnte.«
    »Vor allem solltest du jemanden aufsuchen, wirklich, und zwar schnell! Und wenn du nicht anrufst, werde ich es tun.«
    »Gar nichts wirst du. Und am Montagmorgen gehe ich ganz normal zur Arbeit. Du wirst mit deinem Auto zur Insel fahren, und ich werde den Bus nehmen. Richtung ›Cité du Havre‹. Und wir werden jeder auf einer Seite der Insel arbeiten. Du wirst deine schlauen Berechnungen anstellen, und ich werde Hunde ausführen, die keine richtigen Hunde mehr sind. So machen wir das. Weil ich es beschlossen habe und weil das mein Leben ist. Und im Übrigen kannst du davon halten, was du willst.«
    »Mein armer Freund, du befindest dich im freien Fall, hörst du, im freien Fall! Sieh dich nur an! Du tust mir wirklich leid! Du bist erbärmlich!«
    Anna sprang auf und lief in die Diele. Dort schnappte sie sich ihren Mantel und eilte hinaus wie ein junger Vikar, dem der Teufel auf den Fersen ist. Die Strafe der Sensoren folgte auf dem Fuße. Meine Frau wurde gescannt und aufgespürt. Da ich den Stromkreis noch nicht unterbrochen hatte, war es für die launische Maschine ein Kinderspiel, ihre gellenden Sirenenrufe auszustoßen und den nächtlichen Dieb zu überführen.
    Wenigstens dieses eine Mal hatte die Maschine sich nicht getäuscht. Als sie endlich wieder Ruhe gab, war ich einen Augenblick versucht, den Mechanismus wieder anzustellen, damit Anna bei ihrer Rückkehr erneut in Schockstarre versetzt würde, sobald sie auch nur einen Fuß auf die Vortreppe stellte. Doch meine Gallensäfte verebbten schon bald, und so schaltete ich den Alarm aus, damit sie ungehört und ungestört ins Haus schleichen konnte.
    Als ich am nächsten Morgen aufstand, war Anna schon für den Krieg gerüstet. Mit scharrenden Hufen wie ein Vollblütler erwartete sie mich in der Küche in einer mir bislang unbekannten Aufmachung – Tweedjackett und gerade geschnittene Hose. Sie ließ mir nicht einmal Zeit, mir Kaffee einzugießen, sondern kam blitzschnell auf mich zu und packte mich an den Handgelenken, wie wenn man ein Kind zurechtweist.
    »Paul, ich bitte dich. Ich habe eben deinen Neurologen im Krankenhaus angerufen, und er ist bereit, dir heute Mittag einen Termin zu geben.«
    »Du hast diesen Kerl angerufen?«
    »Ja. Ich finde, es geht dir nicht gut. Ich mache mir Sorgen. Geh zu ihm, versprich es mir. Danach kannst du machen, was du willst.«
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »Dass du Hilfe brauchst, nichts weiter.«
    »Hast du ihm von den Hunden erzählt?«
    »Spinnst du oder was?«
    »Du glaubst, es geht mir nicht gut, weil ich meinen Lebensunterhalt mit dem Ausführen von Hunden verdienen möchte. Und deswegen schickst du mich zu einem Neurologen.«
    »Tu es für mich.«
    Annas

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