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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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beurteiltwerden; die jungen Hunde kommen vor den alten … ein Tier vorzuführen ist immer eine Frage des Stils und der Harmonie zwischen Mensch und Hund, bei der beide Partner des Gespanns das Beste geben müssen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, so etwas machen zu können. Das ist schon ziemlich speziell.«
    »Ich weiß, Paul, ich weiß. Aber ich bitte Sie darum, es ist nur ein einmaliger Dienst. Ich habe einen Kunden, der seine Hündin unbedingt zum Wettbewerb führen möchte. Er ist ein sehr guter Kunde. Er hat Übertragungen im Fernsehen gesehen und ist sich sicher, mit ihr einen Preis zu gewinnen. Ich weiß nicht, warum er sich das in den Kopf gesetzt hat, aber er redet seit Monaten über nichts anderes. Seine Hündin heißt Charlie. Ein Golden Retriever. Wenn Sie meine Meinung hören wollen, wird er damit auf die Nase fallen, aber gut, das ist seine Angelegenheit. Im Übrigen gehen Sie heute Nachmittag mit Charlie einzeln spazieren.«
    »Was muss ich bei dem Wettbewerb machen?«
    »Das, was Sie eben im Film gesehen haben. Auf dem Laufsteg gehen, der Jury die Hündin präsentieren, das abschließende Klassement abwarten, und dann fahren Sie mit immerhin hundert Dollar in der Tasche zurück nach Hause.«
    Dieses »immerhin« schien mir völlig deplatziert. Charisteas bediente sich dieses finanziellen Arguments, als könnte man ein solches Angebot nicht ausschlagen, als würde es das Seltsame und Lächerliche an dieser Übung vergessen machen.
    »Ich vergaß, Sie müssen sich auch in Schale werfen. Jackett, Krawatte und das ganze Pipapo, Sie haben den Stil gesehen. Ich vertraue Ihnen.«
    »Hören Sie, ich muss erst darüber nachdenken.«
    »Das verstehe ich. Jedenfalls würden Sie mir einen riesigen Gefallen tun, wenn Sie mir aus der Patsche helfen könnten, Paul.«
    Eins bereitete mir Kopfzerbrechen, aber darüber konnte ich mit Charisteas nicht offen reden. Diese Art von Vorführungen fanden im Innern statt, vor einem treuen Publikum. Daher war ich nicht davor gefeit, mitten im Wettbewerb eine Panikattacke zu bekommen, genau wie jene erste, die mich veranlasst hatte, kopflos die Treppen der Société des Alcools du Québec hinunterzurennen und auf meinem Weg alles umzureißen.
    Es hatte aufgehört zu schneien, aber der eisige Wind machte die Spaziergänge beschwerlich. Selbst die Hunde rümpften die Nase, als sie von den Böen gepeitscht wurden, und zögerten, bevor sie sich am Ende doch zum Laufen durchrangen. Als Charlie an der Reihe war, steckte sie vorsichtig eine Pfote hinaus, sog den Geruch des Desasters ein und setzte sich dann mit einer gewissen Anmut auf die Türschwelle. Wenn man die Hündin nicht dazu zwang, würde sie keinen Schritt weitergehen, das war klar, trotz ihrer Herkunft und obwohl ihre Rasse bestens an das Klima angepasst war, hasste sie Kälte und Wind über alles. Sie war ein schönes Tier mit milchweißem Fell, großen schwarzen Augen, die einen offen anblickten, einem ausdrucksvollen Kopf, der ein ebenso treues wie starrsinniges Temperament verriet. So blieben wir einige Minuten nebeneinander stehen und sahen uns gegenseitig an, bevor ich sie zurück ins Warme, in ihre Hütte brachte.
    Charisteas übergab mir anschließend die Schlüssel desKleinbusses, um zwei Tiere zu dem Hundesalon zu fahren, der sich den Anstrich eines Friseursalons gab. Ein Dutzend Angestellte mit Migrationshintergrund standen vor großen Badewannen und waren mit eingeseiften Tieren zugange, die anschließend dem lauten Gebläse eines riesigen Föhns ausgesetzt wurden. Ein Mann, offenbar der Chef, kam auf mich zu, nahm die Hunde wie zwei schmutzige Wäschebündel entgegen und brachte sie zu einem kleinen Verschlag.
    »Sie können Charisteas ausrichten, dass er uns auf die Nerven geht. Es ist immer dasselbe mit ihm. Immer auf den letzten Drücker. Völlig unorganisiert. Es ist doch nicht so schwer, einen Zeitplan aufzustellen! Sagen Sie ihm, dass dies das letzte Mal war. Sind Sie neu?«
    »Ich habe gestern angefangen.«
    »Irgendwann muss man ja mal anfangen.«
    Seit dem Morgen hörte ich nicht auf, mich zu kratzen. Gegen Mittag entdeckte ich kleine rote Flecken an den Handgelenken, den Unterarmen und am Hals. Von Stunde zu Stunde, war mein Eindruck, breitete sich der Juckreiz weiter aus, selbst wenn die beißende Kälte draußen ihn betäubte.
    Gehen. An der Leine. Ein Hund und ich. Ab dem dritten Spaziergang wusste ich nicht mehr, wer wen ausführte. Wir gingen gemeinsam voran, gemäß den Regeln einer absurden

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