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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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unter den Füßen meiner Frau ins Wanken geriet. Ich sah, wie die Hündin mich durch die Glasscheibe des Autos ansah. Sie schien zu sagen: »Geh schnell schlafen, du siehst fix und fertig aus.« Ich drückte Bréguet die Hand, und mit meinem ewigen Lächeln stieg ich, ohne ein Wort, hinauf ins obere Stockwerk. Mein Arbeitszimmer sah genauso aus, wie ich es zurückgelassen hatte. Mein Leben erwartete mich. Ich legte mich aufs Bett und schlief angezogen ein.

ACHT
    Seit Akitas Verwandlung und meinem Triumph beim Hundewettbewerb hatte ich in Charisteas persönlichem Pantheon, im Herzen seines Mausoleums einen Ehrenplatz zwischen Pierre de Fermat und seiner Eminenz Makarios. Drei Wochen waren seit den Ereignissen vergangen, ohne dass die Bewunderung meines Arbeitgebers mir gegenüber nachgelassen hätte. Ebenso wenig wie seine irrsinnige Manie für das Hantieren mit Zahlen.
    »Paul, gestern Abend habe ich eine weitere gefunden: 211. 211 × 112 ergibt 23 632. Und haben Sie es schon bemerkt? Wie bei der vorherigen Zahl, 2 216 122, ist immer die 6 in der Mitte als Scharnier.«
    »Hier«, sagte ich, »ich habe etwas für Sie. Es ist eine Notiz von Fermat. Wussten Sie, dass er ganz in meiner Nähe geboren wurde und gestorben ist?«
    Ich überreichte ihm einen Text, den ich einige Tage zuvor abgeschrieben hatte. Zwar wusste ich nicht genau, was dieser Lehrsatz zu bedeuten hatte, aber glaubte doch, dem Zyprioten eine Freude bereiten zu können, wenn ich ihn für diese bescheidenen Zeilen ausersah:
    Wenn eine beliebig vorgegebene Primzahl, welche die Eins um ein Vielfaches von 4 übersteigt, nicht aus zwei Quadraten zusammengesetzt ist, dann gibt es eine weitere Primzahl von dieser Art, kleiner als die gegebene, und dann eine dritte noch kleinere; und so weiter unendlich absteigend erreicht man die Zahl 5 , die die kleinste unter allen dieser Art ist, woraus sich ergäbe, dass sie nicht aus zwei Quadraten zusammengesetzt ist, was sie jedoch ist. Daraus hat man, da etwas Unmögliches hergeleitet wurde, zu schließen, dass alle Zahlen dieser Art aus zwei Quadraten zusammengesetzt sind.
    Charisteas nahm sich Zeit, um diese Passage mehrmals zu lesen, in der es um »beliebig vorgegebene Zahlen« ging, stolperte zwei- oder dreimal über »Quadrat« und »woraus sich ergäbe«, dann wendete er sich an mich, mit großer Hochachtung, als wäre ich selbst der Autor dieser Hypothese. »Ich bin sehr gerührt, dass Sie sich die Zeit genommen haben, dies für mich aufzuschreiben. Ich bin Ihnen sehr dankbar.« Er steckte das Blatt Papier in seine Tasche und fügte hinzu:
    »Wissen Sie, dass Bréguet jeden Tag anruft? Er will Sie sehen, um den Wettbewerb in Toronto vorzubereiten. Er steckt zweihundertprozentig da drin.«
    »Ich gehe nicht nach Toronto. Ich nehme an keinem Wettbewerb mehr teil.«
    »Überlegen Sie es sich, Paul. Sie machen vielleicht einen großen Fehler.«
    Meine Verabredung mit Wagner-Leblond am späten Nachmittag sollte eine weitere Dummheit amtlich machen, von der ich nicht ahnte, welch verheerende Folgen sie haben würde.
    Gegenwärtig musste ich zwei Hunde zum Tierarzt bringen. Kastration, alle beide. Ich mochte es nicht, zwei junge, unschuldige, vertrauensselige, lebenslustige Rüden wegen eines solchen Eingriffs in den Lieferwagen zu stecken. Ich hatte den Eindruck, eine Schandtat zu begehen. Aber die Regeln des städtischen Lebens waren unmissverständlich: aufheben und kastrieren. Und kastrieren, um nicht zu viel aufheben zu müssen.
    Die Sekretärin füllte für jedes Tier das Aufnahmeformular aus.
    »Nur um mich zu vergewissern«, sagte sie, »beim ersten wird lediglich der chirurgische Eingriff vorgenommen und beim zweiten werden Prothesen hinzugefügt.«
    »Was für Prothesen?«
    »Hier steht: ›Neutikel‹ vorsehen.«
    »Was sind ›Neutikel‹?«
    Die Sekretärin reagierte leicht genervt auf meine Frage, sie wühlte in einer Schreibtischschublade und reichte mir eine kleine Schachtel, auf der geschrieben stand: »Neuticles: Looking the same, feeling the same«.
    Darin lagen zwei weißliche Plastikhoden, die darauf warteten, an der entsprechenden Stelle eingesetzt zu werden. Ich legte die beiden Substitute zurück und tätschelte ihrem künftigen Empfänger ein letztes Mal den Kopf.
    »Holen Sie sie morgen Vormittag wieder ab?«
    »Der Text von Fermat, den Sie für mich abgeschrieben haben, hat mich sehr berührt, wissen Sie. Ich wollte, dass Sie es wissen.« Charisteas kam mir auf dem Parkplatz

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