Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
Vom Netzwerk:
Hund weisend fügte er hinzu: »Der Hundefriseur ist gerade aus der Tür.« In der Luft schwebte der Geruch eines Deodorants, das einem leichte Übelkeit bereitete, der künstliche Duft von Vanille und Himbeere.
    »Haben Sie mein Beruhigungsmittel?«
    »Alles da. Es steht bereit. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Haben Sie es zubereitet?«
    »Aber nein. Ein Freund von mir, der Anästhesist im Krankenhaus Sainte-Justine ist. Ich habe ihm Ihren Fall geschildert. Daraufhin hat er das Rezept ausgestellt und die Mischung und Dosierung festgelegt.«
    »Was ist da drin?«
    »Ich bin leider nicht in der Lage, es Ihnen zu sagen. Sie müssen den Inhalt dieses Fläschchens aber unbedingt eine halbe Stunde vor Betreten der Halle einnehmen, wo Sie auf die Zuschauer treffen werden. Da die Weibchen zum Schluss vorgeführt werden, haben wir noch eine gute Stunde Zeit.«
    »Kann ich Ihrem Freund vertrauen?«
    »Seien Sie ganz beruhigt. Er verbringt sein Leben damit, Leute einzuschläfern.«
    »Genau das macht mir ja Sorgen.«
    Zur vereinbarten Zeit trank ich also meinen Zaubertrank in einem Zug aus, einen milchigen, süßen Schierlingsbecher, der eine leicht bittere Note und den Nachgeschmack von Kaugummi hatte.
    Bréguet saß am Steuer des Lexus Hybrid mit Allradantrieb und pries unaufhörlich dessen Vorteile.
    »Er berechnet jederzeit den optimalen Antrieb. So wechselt er vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb und umgekehrt. Stellen Sie sich vor, dieses Fahrzeug fängt außerdem die kinetische Energie auf, die beim Bremsen verloren geht, und verwandelt sie in Strom.«
    Der ehemalige Autohändler trug seine Argumente mit der üblichen Leichtigkeit vor, um die Angst des Psychoanalytikers zu verbergen, der seit allzu Langem auf diesen Tag gewartet hatte. Was den Hund betraf: Der lag auf seiner Decke, die auf dem beigefarbenen Leder der Rücksitze ausgebreitet war, und schnupperte gedankenverloren an der Armlehne der Tür, die nach gar nichts roch, außer vielleicht neu.
    Der Wettbewerb fand in einer großen Halle statt, die eigens für diesen Anlass hergerichtet worden war. Fast überall hatte man Werbetafeln der Tierfutter-Hersteller aufgehängt, die die Veranstaltung sponserten. Der Ring glich einem hölzernen Wandelgang. Er verlief sich zwischen den Sitzen der Zuschauer und endete gegenüber der Jury, die die Aufgabe hatte, die Spreu vom Weizen zu trennen, bevor man zur Krönung schreiten würde.
    Drumherum boten Dutzende von Ständen allerlei Accessoires und Spielzeug für Hunde an. Bekleidung, Brillen, Zahnpflegestangen, Parfüm, Anti-Bell-Halsbänder, elektronischeHundezäune, Ratgeber für Dressur, Zucht und Trimmen. Ich dachte bei mir, dass die Leute, die hierherkamen, sich auch für Eiskunstlauf, Tanzturniere oder Synchronschwimmen interessierten, wo die Konkurrentinnen durch die Füße atmen. Für mich ist allein schon der Anblick dieser Disziplinen eine Qual, eine Strafe, die man ausschließlich Rückfalltätern vorbehalten sollte.
    Hunde aller Rassen, gepudert und getrimmt wie kleine Marquis, kamen und gingen an der Seite ihres Herrchens wie zu einem Generalgouverneursball. Mit konspirativer Miene tuschelten Handler und Züchter untereinander. Ich hingegen wandelte erstaunlich gelassen und entspannt in diesem Tumult umher. Mir war, als würde ich mit der Hündin an meiner Seite auf einem Rollband spazieren gehen, während der Psychoanalytiker uns in einigen Metern Abstand folgte und die von den Organisatoren verlangten Formulare ausfüllte. Der Zaubertrank tat seine Wirkung.
    Während der Wettbewerb mit den Rüden begann, setzte ich mich mit Charlie ein wenig abseits in die hinteren Reihen. Die Hündin drehte sich zweimal um sich selbst, legte sich, mit der Schnauze auf meinem Fuß, auf den Boden und schloss die Augen. Ich hatte Lust, mir den Ablauf des Wettbewerbs anzusehen und ein wenig die Gesten und das Verhalten der ausgebufftesten Handler zu studieren. Doch da überkam mich eine bleierne Schwere, ich spürte, wie meine Muskeln sich entspannten, meine Augenlider genauso hinabsanken wie mein Kopf, und so geschah es, dass ich innerhalb weniger Sekunden tief und fest einschlief, ohne auch nur die Zeit gehabt zu haben, der Versuchung zu widerstehen.
    Ein großartiger Schlaf, opak und schwarz wie Tinte.
    Als Bréguet mich weckte, wirkte er panisch. Verstört sah ich ihn an. Ich bemerkte, dass seine Worte zeitversetzt aus seinem Mund an mein Ohr drangen. Außerdem hatte sich das Timbre seiner Stimme verändert. Sie klang

Weitere Kostenlose Bücher