Der Fall Struensee
er Oberst Köller mit einigen anderen Herren Karten spielen und rief ihm wohlgelaunt zu: „Warum tanzen Sie nicht, Oberst Köller?“ Der Oberst sah ihn aufmerksam an und sagte: „Mein Tanz beginnt später.“
„Das muss ein sonderbarer Tanz sein, wenn Sie so lange warten“, scherzte Struensee. „In der Tat, ein einzigartiger Tanz, Graf Struensee“, erwiderte Köller und grinste frech.
Gegen zwei Uhr verließ Mathilde den Ball. „Bis morgen“, rief sie Struensee zu. „Bis morgen“, murmelte er zärtlich und küsste ihr die Hand. Zögernd brach man auf. Die Musiker packten ihre Instrumente ein. Diener trugen Gläser, Tassen und halb volle Flaschen hinaus und löschten die Kerzen. Eine halbe Stunde später war es ganz still im Schloss. Man hörte nicht einmal den Schritt der Wachen in den Korridoren.
Denn es gab keine Wachen.
Das Schloss lag dunkel und schweigend. Vom Westflügel her näherte sich ein Lichtschimmer und wanderte gespenstisch die lange Fensterreihe entlang. Dem Diener mit dem Leuchter folgten die Königinwitwe und ihr Sohn. Sie hatte einen Pelzmantel umgeworfen. Ihr Gesicht mit den drohenden Brauen war finster und entschlossen. Der Sohn sah sie mitunter ängstlich von der Seite an. Sie schien es nicht zu bemerken. Sie hatte den wichtigsten und heikelsten Part des Unternehmens übernommen. Von ihr würde es abhängen, ob es gelang. Ihnen folgte der ziemlich betrunkene Oberst Köller und General Eickstädt, der ein besorgtes Gesicht machte und sich auf die Unterlippe biss. Graf Rantzau schleiften sie mit einem Tragstuhl mit, der von zwei Dragonerleutnants getragen wurde. Köller war zu ihm in die Bredegade gekommen, hatte ihn aus dem Bett geholt und ihn gezwungen, den unmöglichen Tragstuhl zu besteigen. Nun saß er dort mit grauem Gesicht und seine langen schmalen Hände zitterten auf den Seitenlehnen des Stuhls.
Den Abschluss bildete Owe Guldberg. Vor der Tür zum Zimmer des Königs machten sie halt. Nach einem Augenblick des Zögerns drückte Juliane die Tür auf und trat in den Raum. Die anderen folgten ihr. Christian schlief, in die Kissen gelehnt, auf seinem Prachtbett. Zu seinen Füßen lag sein weißer Pudel. Das Tier sprang auf und kroch leise winselnd unter das Bett. Christian blinzelte mit den Augen und murmelte: „Was ist denn los, Morari?“ Dann fuhr er mit einem Schrei hoch und schrie gellend: „Mörder! Mörder!“
„Beruhigen Sie sich, mein Sohn“, sagte Juliane.
„Wache“, schrie er.
„Beruhigen Sie sich. Wir sind gekommen, Sie zu retten.“
„Ich habe Sie nicht rufen lassen“, stöhnte er angstvoll, „wer sind die anderen? Was wollen Sie? Wo bleibt die Wache?“
„Zu Ihren Diensten, Sire“, schnarrte Oberst Köller mit schwerer Zunge und trat vor.
„Köller“, sagte Christian etwas ruhiger, „Was gibt es? Warum sind Sie in meinem Schlafzimmer?“
„Wir sind einer Verschwörung gegen Sie auf die Spur gekommen“, verkündete Juliane, „noch ist es Zeit. Noch können Sie den Verschwörern zuvor kommen und sich retten, wenn Sie sofort die Haftbefehle gegen die Verbrecher unterschreiben, mein Sohn.“
Er sah sie misstrauisch an. Seine Hände auf der Bettdecke zitterten. Die schlimmsten Gespenster seiner Kindheit schienen ihn anzustarren. „Geben Sie mir ein Glas Wasser, Köller“, forderte er. Köller füllte ungelenk Wasser aus einer Karaffe ein und reichte das Glas dem König. Dieser trank vorsichtig, über dem Rand des Glases Juliane im Auge haltend. Er setzte ab und fragte: „Wer?“
„Mathilde“, stieß sie hervor. Der König schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein. Das glaube ich nicht.“
„Sie ist nur ein Werkzeug in der Hand der anderen“, versicherte Juliane rasch.
„Welcher anderen?“
„Der Grafen Struensee und Brandt und ihrer ganzen Clique.“
„Aber Struensee ist mein Freund, warum sollte er mich töten wollen“, rief der König voller Verzweiflung.
„Es ist sein Ehrgeiz. Er muss Sie beseitigen.“
„Aber er hat doch schon alle Befugnisse. Ich bin mit seiner Landreform einverstanden. Warum sollte er …?“ Christian setzte sich im Bett auf und betrachtete Juliane misstrauisch. Dann sagte er giftig: „Sie haben sich doch noch nie um mein Wohl gesorgt.“
„Vergessen Sie nicht, dass ich Ihre Mutter bin.“
Der König machte eine wegwerfende Handbewegung und schnaubte verächtlich.
„Im Übrigen weiß ganz Europa um das schändliche Verhältnis der Königin mit diesem Quacksalber.“
„Das ist ja etwas
Weitere Kostenlose Bücher