Der Fall Struensee
Sekretärs auf, aus der er eine kleine Flöte nahm, die er in die Tasche steckte. Eickstädt lächelte grimmig, wandte aber nichts dagegen ein. Struensees Bruder, der Justizrat, General Glaeser, Hofrat Berger, General Falckenskiold, Oberst Gähler und Herr von Osten wurden ebenfalls verhaftet und festgesetzt. Anderen wurde befohlen, ihre Wohnungen nicht zu verlassen oder sie wurden des Landes verwiesen.
Um neun Uhr war alles vorüber. Nur die Königin wusste von nichts. Sie saß noch im Negligé in ihrem Zimmer und stillte ihre kleine Tochter. Graf Rantzau ließ sich melden. „Graf Rantzau? So früh am Morgen?“, rief sie erstaunt, „Ich kann ihn nicht empfangen.“
„Der Graf besteht darauf“, antwortete die Kammerfrau. „Der Graf sagt, es sei der Befehl des Königs.“ Mathilde nahm das Kind von der Brust und reichte es zitternd ihrer Kammerjungfer. Graf Rantzau betrat das Zimmer. Es war ihm unangenehm, dass man diese Verhaftung ihm aufgetragen hatte. Er sagte: „Ziehen Sie sich an Madame, Sie sind verhaftet.“
„Was soll das?“, schrie sie, „ich möchte mit Graf Struensee sprechen.“
„Das geht nicht, Madame. Der Graf ist auch verhaftet, er befindet sich in der Zitadelle.“
„Dann will ich zum König“, schluchzte sie.
„Der König will sie nicht sehen, Madame. Er sendet mich.“
„Sie Schurke!“, rief sie verächtlich aus, „Sie haben Ihren eigenen Freund verraten.“
„Es hat keinen Zweck, dass sich Eure Majestät über meine Wenigkeit erregen“, meinte der Graf nachgiebig, „Bitte, kleiden Sie sich an.“ Sein Unmut hatte sich gelegt, er betrachtete die junge Frau mit den gelösten blonden Haaren und den großen verzweifelten Augen mit einem gewissen Mitgefühl. Die Königin fauchte ihn an: „Verlassen Sie den Raum, damit ich mich ankleiden kann.“
„Ihr Wohl ist mir anvertraut, Madame. Aber ich werde Ihnen meinen Rücken zudrehen in der Hoffnung, dass Sie vernünftig sind.“ Der Graf drehte sich um und heftete seinen Blick scheinbar interessiert auf einen Kupferstich, der in einem goldenen Schnörkelrahmen an der Wand hing. Die Kammerjungfern kleideten die Königin an, die nur mühsam ihr Schluchzen unterdrücken konnte. Tränen rollten über ihre Wangen. Sie trat vor den Spiegel und puderte sich hastig. Dann drehte sie sich um und sagte: „Ich bin bereit.“ Sie sah den Grafen hochmütig und kühl an und rausche an ihm vorüber. Ihre Frauen folgten ihr mit der kleinen Prinzessin. Sie fuhren in einer schwerfälligen schwarzen Kutsche Richtung Helsingør.
Es schneite ein wenig. Der Sund war grau. Die schwedische Küste nicht zu sehen. Bei einer Wendung des Weges sah Mathilde hinter mächtigen Wällen mit einem Renaissanceturm über dem spitzen Giebeldach das alte Schloss am Meer: Kronborg, das Schloss Hamlets. „Something is rotten in the State of Denmark“, durchfuhr es sie.
Als Struensee in den von Wachen umstellten Wagen stieg, gellten Pfiffe, wüste Beschimpfungen und Flüche. Er wurde als Sittenstrolch, Wüstling und Verderber bezeichnet. Die Nachricht von seinem Sturz hatte sich schnell herumgesprochen und viele auf die Straße getrieben. Struensee hatte kein Palais hinterlassen, das die Menge hätte stürmen können. Aber der Volkszorn brach sich Bahn, als ein Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen die Laternen vor dem Grünen Kaffeehaus mit dem Knauf seines Stockes zerschlug. Es war Beringskiold, der das Volk aufwiegelte und rief: „Dieses Haus ist ein englisches Bordell, das sich der gestürzte Minister für seine Bedürfnisse hat einrichten lassen. Darin findet ihr fünfzehn junge Engländerinnen, die hier als Huren tätig sind.“ Die Leute drangen ins Haus, zertrümmerten und verschleppten die Möbel, zerschlugen die Fenster.
Unter dem Dach war ein Teil der Bibliothek des Grafen Schulin untergebracht. Sie warfen die Bücher aus einer Luke in den Straßendreck. Im Keller fanden sie das Lager eines Weinhändlers und machten sich über die Fässer her. Es waren nicht nur Matrosen, Soldaten, Arbeiter und Gauner, sondern auch ehrsame Bürger, die sich daran beteiligten. Die fünfzehn Engländerinnen wurden nicht gefunden. Da machten sie sich auf zu den Bordellen der Stadt, sie scheuchten Kopenhagens Huren auf und bereiteten ihnen eine Schreckensnacht.
7. Im Kerker
Struensee saß in seinem Kerker wie in einem tiefen Brunnen. Schwere feuchte Mauern aus großen Quadersteinen trennten ihn von der Außenwelt. Irgendwo tropfte Wasser. Die Tropfen schlugen zögernd
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