Der Fall Struensee
völlig anderes.“
„Sehen Sie denn nicht“, rief sie erregt, „dass dieser Ehebruch das Fundament der Verschwörung ist? Und hat er nicht alle königlichen Leibgarden aufgelöst, um Sie Ihres Schutzes zu berauben?“
„Infanterie und Dragoner sind mir ebenso ergeben wie die Garde“, rief Christian, „nicht wahr, Oberst Köller?“
„Gewiss Majestät. Deshalb haben wir uns auch hinter Königin Juliane gestellt, um das Komplott auffliegen zu lassen.“
„Ich kenne Struensee besser, ich glaube nicht, dass er mich hintergeht.“
Nun ergriff Rantzau das Wort. „Sire, Sie wissen, dass ich mit Brandt und Struensee gut befreundet war. Sie haben es mir anvertraut, dass sie beabsichtigen Sie zu ermorden. Die Sorge um das Leben Eurer Majestät erfüllte mich mit Panik. Ich wandte mich an Königin Juliane, an den Erbprinzen, an patriotische Männer und Militärs, um meinen König zu retten. Hier sind wir, Sire. Entscheiden Sie sich zwischen uns und den Mördern. Die Zeit, die Ihnen von den Verbrechern zugemessen wurde, ist kurz.“ Christian schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. In seinem kranken Hirn wirbelten die Gedanken durcheinander, die vertraute eisige Todesfurcht griff nach ihm.
Die kleine Gruppe vor dem Bett stand verunsichert da. Juliane blickte verächtlich. Köller strich sich verlegen den Schnurrbart. Christian ließ die Hände sinken und erklärte: „Bevor ich unterschreibe, will ich mit Struensee selbst sprechen.“
Juliane entschied spontan, zum Schein auf diese Forderung einzugehen. Natürlich war es genau das, was nicht passieren durfte. Sie schickte Köller los, nicht um Struensee zu holen, sondern um ihn vorsorglich zu verhaften. Sie gab ihm eine Kopie des Haftbefehls, auf dem natürlich noch die Unterschrift des Königs fehlte.
Struensee lag halb angekleidet auf seinem Bett, als Oberst Köller in Begleitung eines Leutnants in seine Stube eindrang. Schlaftrunken und verwirrt fuhr der Minister auf und rieb sich die Augen. „Was ist los? Gibt es wieder Tumulte?“
Köller lachte höhnisch und verkündete: „Allerdings. Der Tanz kann beginnen.“ Er wedelte mit dem Haftbefehl.
„Was ist das?“, fragte Struensee und gähnte laut. „Ein Haftbefehl“, antwortete Köller.
Mit einem Mal war Struensee völlig wach, schwang sich aus dem Bett und forderte: „Zeigen Sie her!“
„Nein“, sagte Köller und grinste hämisch, „er ist an den Kommandanten der Zitadelle ausgestellt.“
„Wessen bin ich angeklagt?“, fragte Struensee empört. „Ich weiß nicht“, knurrte Köller, „ich habe nur meine Befehle.“
„Von wem?“
„Vom König. Ziehen Sie sich etwas über und kommen Sie.“ Während Struensee sich ankleidete, schrie er empört: „Niemals hat der König einen Haftbefehl gegen mich unterschrieben. Zeigen Sie mir die Unterschrift.“ Köller machte eine Kopfbewegung zu dem an der Tür stehenden Leutnant. Sogleich kamen zwei Dragoner und ergriffen Struensee, um ihn abzuführen. „Moment noch“, befahl Köller und durchsuchte die Taschen von Struensees Mantel. Er zog eine kleine Dose hervor. „Was ist das?“, bellte er.
„Ein Pulver gegen Kopfschmerzen “, antwortete Struensee.
„Ein Pülverchen, das einem in aller Stille über den Acheron befördert“, höhnte Köller, „aber daraus wird nichts.“ Er steckte die Dose in seine Jackentasche.
Die Dragoner zerrten Struensee über die Gänge des Schlosses zum Ausgang, wo eine Kutsche wartete. Der Leutnant wurde mit einem Auftrag zu Königin Juliane geschickt, die sich mit einigen Gefolgsleuten immer noch im Schlafgemach des Königs befand. Der Leutnant flüsterte Juliane etwas ins Ohr. Sie wandte sich an den König und sagte: „Struensee will nicht kommen. Er hat wohl doch ein gewisses Schamgefühl, dass er Ihnen nicht unter die Augen treten will.“
Christian begann wieder zu weinen. „Ich unterschreibe“, erklärte er dann matt. In seinen nassen Augen stand eine unsägliche Trauer.
Eickstädt schlug mit der Faust an Brandts Tür. Nach einer Weile öffnete dieser mit dem Degen in der Hand. „Wollen Sie Widerstand leisten?“, rief Eickstädt. „Der König hat Ihre Verhaftung befohlen.“ Brandt sah seinen Degen an und warf ihn zu Boden. „Es hat wohl wenig Sinn, die Klinge mit dem Blut eines Verräters zu beschmutzen. Wissen möchte ich nur, wie Ihr den Verrückten dazu gebracht habt.“
„Kommen Sie“, sagte Eickstädt. „Einen Augenblick“, bat Brandt und zog die Schublade seines
Weitere Kostenlose Bücher