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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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befallen. Struensee wusste, dass diese Krankheit durch Berührung übertragen wurde. Deshalb verbreitete sie sich besonders in Waisenhäusern und Krankenhäusern, wo oft mehrere in einem Bett lagen. Er behandelte sie mit Schwefelsalbe. Dazu mischte er acht Lot Schwefel mit einem halben Lot Salmiak, pulverisierte es und gab es in Schweineschmalz. Die meisten Altonaer Ärzte wurden in helle Empörung versetzt, als sie davon hörten. Sie glaubten, dass die Krankheit dadurch nach innen getrieben würde, was schwere innere Leiden zur Folge haben konnte. Struensee ließ sie reden, und der schnelle Erfolg seiner Kur gab ihm recht.
    Nachdem er die Apotheken in Altona einer scharfen Revision unterzogen hatte, wollte er auch die ihm unterstehenden Pinneberger Landapotheken prüfen und begab sich noch Ende November bei nasskaltem nebligem Wetter zu Pferde oder im offenen Wagen auf seine ersten Inspektionsfahrten in die Provinz. Er zog sich dabei eine schwere Lungenentzündung zu, die ihn abermals in die Nähe des Todes brachte. Doch Struensee ließ sich nicht beirren, seine Kutsche rumpelte mit knarrenden Rädern durch die Dorfgassen, über einsame Feldwege, gelegentlich auch in Schlosshöfe, ganz gleich, ob die Sonne vom Himmel strahlte oder der Regen endlos aus dunklen Wolken fiel. Er sah in die bleichen ungesunden Gesichter der Kranken, die meist in schmutzigen Hütten lebten, geflickte Kleider trugen und einen fast unverständlichen Dialekt sprachen.
    An einem Winterabend fuhr er durch eine Gegend, durch die sich ein Bach schlängelte. Die Buchen reckten ihre kahlen Äste in den Himmel, der Spiegel eines Sees blinkte in der Ferne. Der Wind wehte in kalten Stößen über das Land, der Himmel war bleigrau. Kein Mensch, kein Licht war zu sehen in dieser trostlosen Landschaft. Ihn fröstelte und er sehnte sich nach einer gemütlichen Gaststube und der Wärme eines Ofens. Plötzlich hielt der Wagen in kleinen Rucken an. Er öffnete halb das Fenster, um vom Kutscher zu erfahren, was los sei, als er am Wegrand ein Mädchen bemerkte, das in seinem dünnen Kleid zitterte. Struensee fragte: „Was tust du hier?“
    „Meine Mutter“, sagte das Mädchen nur.
    „Ist deine Mutter krank?“, fragte er freundlich.
    „Die Wehen haben eingesetzt. Sie stöhnt und schreit, aber das Kind will nicht kommen.“ Struensee hüllte sich enger in seinen Mantel, nahm seine Tasche und stieg aus. „Ist es weit?“
    „Nein“, sagte sie zitternd.
    „Komm. Geh unter meinem Mantel.“ Er warf die eine Seite seines Mantels über sie und zog sie an sich. Er fühlte die magere Schulter und dachte flüchtig daran, dass sie sicher voller Läuse war. „Ist dein Vater nicht da?“, erkundigte er sich. „Mein Vater ging letztes Frühjahr zur See. Er ist noch nicht zurückgekommen“, antwortete sie. „Warum hast du die Hebamme nicht gerufen?“
    „Es gibt hier keine.“
    Sie gingen schweigend weiter, dann kamen sie zu einer schiefen Hütte, halb versteckt zwischen Hecken. Es roch nach Rauch, der von einem bescheidenen Feuer im Kamin herrührte. Die Gebärende lag auf einem Lumpenlager auf der Erde und stöhnte. Ein kleiner Junge mit beinahe weißen Haaren, die ihm auf die Schultern hingen, stand mit großen angstvollen Augen davor. Die Frau war nur halb bei Bewusstsein und fieberte. „Ich bin Physikus“, sagte er zu ihr. Über das Gesicht der Frau huschte ein Hoffnungsschimmer, aber sie hauchte mit schwacher Stimme: „Ich kann keinen Physikus bezahlen.“
    „Das spielt jetzt keine Rolle“, beruhigte er sie und wandte sich an das Mädchen. „Mach einen Kessel mit Wasser heiß.“ Struensee wusch sich die Hände mit Seife und heißem Wasser, tastete den Bauch der Frau ab und holte dann eine Geburtszange aus seiner Tasche. Er setzte sie behutsam am Kopf des Kindes an und bei der nächsten Presswehe zog er das Kind mit einer kleinen Drehung aus dem Leib der Mutter. Es war ein Junge. Struensee wusch ihn und wickelte ihn in die Windeln, die das Mädchen ihm reichte.
    Die Frau war erschöpft eingeschlafen. Struensee reinigte sein Instrument und tat es zurück in die Tasche. Er sah sich in der Hütte um. Die Einrichtung bestand aus einem grob gezimmerten Tisch und ebensolchen Stühlen. Auf einem Bord standen ein paar Tassen, Teller und Tonkrüge. Drei getrocknete Fische baumelten an einer Kordel von der Decke. Er fragte das Mädchen: „Wie heißt du?“
    „Antje.“
    „Und wie alt bist du?“
    „Dreizehn, Herr Doktor.“
    „Kannst du für ein paar

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