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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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Struensee. Beide konnten in Rage geraten, wenn sie über die überholten Methoden und die kommerziellen Interessen mancher Ärzte herzogen. Struensee kam gerade von einer Inspektionsreise in Barmstedt und Elmshorn zurück. Er schlürfte den heißen Kaffee und wetterte: „Das Apothekenwesen liegt doch sehr im Argen. Neben einer kleinen Zahl guter Apotheken gibt es eine große Zahl unzuverlässiger, zum Teil ganz schlechter in den Händen unwissender Krämer und hergelaufener Chemiker.
    Aber ganz unmöglich ist es, wenn sogar anerkannte Ärzte irgendwelche zweifelhaften Mittel teuer verkaufen, so wie Dr. Unzer sein Allheilmittel, das ich nur als weißen Hundekot bezeichnen kann. Übrigens hat sich Unzer schon in Halle, als ich dort als Student in der Apotheke des Waisenhauses arbeitete, durch den Vertrieb selbsthergestellter Geheimmittel bereichert.“ Der angesehene Medikus Dr. Unzer hatte ein Verdauungspulver hergestellt, das er in seiner Ärztezeitschrift als Universalmittel empfahl.
    Unzer war weit über die Grenzen Altonas bekannt, hatte eine florierende Privatpraxis und betrieb mit dem selbst hergestellten Geheimmittel ein lukratives Geschäft. Reimarus fischte aus seiner Rocktasche einen Zettel und antwortete: „Unzer macht mit diesen Zetteln überall Werbung für seine Medizin. Hier steht: ‚Die Arznei kann unmittelbar nach einer Überladung des Magens mit Speisen und mitten im Rausche der Trunkenheit stündlich, so lange, als man es nötig findet, gebraucht werden. Ich kenne kein Mittel, das Blähungen zuverlässiger und schneller beseitigt .′ - Aber das soll ja nur eine Wirkung unter vielen sein.“ Er lachte kurz auf. Struensee schnaubte verächtlich und schob sich die blonden Strähnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten aus dem Gesicht.
    „ Die Leute verlangen etwas Außerordentliches und Wunderbares, das sie von ihren Krankheiten heilt. Weil sie dieses bei einem richtigen Arzt nicht finden, holen sie sich lieber Rat bei einem alten Weib, einem Marktschreier oder Scharfrichter. Des Morgens schickt ein Karrenschieber seinen Urin zum Marktschreier, mittags lässt er sich einen Doktor holen und abends kommt ein unwissender Barbier, schimpft auf die vorherigen Verordnungen, verwirft sie und gibt dem Kranken ein von ihm selbst erfundenes Mittel, eine Mischung von Gänsekot und Aquavit, auf Leben oder Tod, wie er selbst sagt. Wenn der Kranke stirbt, wem wird die Schuld gegeben? Natürlich dem Arzt.
    Der Marktschreier hatte aus dem Urin gesehen, dass Lunge und Leber angefressen sind und der Barbier bedauert, dass der Kranke nicht Kraft genug gehabt hat, die Wirkung des Mittels zu ertragen. Allein die Verordnungen des Arztes werden verdammt. Er hat die Krankheit zu leicht genommen. Und das hat er auch richtig eingeschätzt, hätte man nur die Natur, wie er riet, ruhig wirken lassen.“ Reimarus nickte zustimmend und nahm einen Schluck Kaffee. Struensee fuhr aufgebracht fort: „Ich bin ja eigentlich nicht für harte Strafen, aber ein Quacksalber, der die einfachen Leute betrügt, aus dem Urin weissagt und Gift statt Arzneien verkauft, sollte an den Pranger gestellt, ausgepeitscht und ins Zuchthaus geworfen werden. So ein Kerl hätte es eher verdient als ein Dieb, der aus Mangel und Not gestohlen hat. Denn dieser hat wenigstens niemanden getötet oder krank gemacht, während jener die Einfältigen sowohl ihres Geldes als auch ihrer Gesundheit beraubt.“ „Ja, die Leute kaufen zum Beispiel lieber Rattengift als Chinarinde, weil sie sich einreden lassen, dass Chinarinde eine Verderbnis der Säfte erzeugt. Dabei wirkt Chinarinde ganz ausgezeichnet bei Wechselfieber.“
    „Ich hoffe jedenfalls, wieder Zucht und Ordnung in das verwahrloste Apothekenwesen zu bringen. Ich will ein Verzeichnis der wichtigsten Medikamente anlegen, die in jeder Apotheke vorrätig sein sollten. Zwei Drittel der Arzneien sind unnütz, unbrauchbar oder überflüssig. Ich werde mich auch für ein neues Arzneimittelgesetz einsetzen. Es dürften nur noch die Mittel erlaubt sein, deren Wirksamkeit und Unschädlichkeit erwiesen sind. Die so genannte Hallesche Goldtinktur, die der berühmte Hoffmann vertreibt, besteht im Wesentlichen aus einer Verbindung von Schwefel und Arsen. Und damit lassen sich Leute behandeln, die an Brustkrankheiten leiden. Sie geben noch viel Geld dafür aus, sich vergiften zu lassen.“
    „Du musst aber bedenken, dass manche pflanzlichen Mittel zwar giftig, in der richtigen Dosierung jedoch sehr wirksam sind.

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