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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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ein Turnier ritten oder in Booten gegeneinander antraten. Das Bootsturnier erheiterte Christian, er schüttete sich aus vor Lachen, wenn einer der Gegner ins Wasser fiel.
    Am Ende gab es ein Feuerwerk, bei dem sich die geliehenen Taler des Grafen Rantzau in Raketen und Schlangen verwandelten. Am nächsten Abend gab es einen Ball, von dem die Bauern in der Umgebung noch lange redeten. Struensee war glücklich, Freund des Königs und Geliebter der Königin zu sein. Er hatte unerlaubte Grenzen der Moral überschritten, doch darüber machte er sich wenig Kopfzerbrechen. Er hatte die verbotenen Schriften von Lamettrie gelesen, in denen vom Glück und von Schuldgefühlen die Rede war. Er vertrat die Auffassung, dass alle Werte sowie die Vorstellungen von Gut und Böse in der Kindheit anerzogen werden und sich als schlechtes Gewissen bemerkbar machen, wenn jemand dagegen verstößt. Aber diese Vorstellungen mussten einer Überprüfung durch die Vernunft standhalten; es war nicht richtig, dass sie automatisch befolgt wurden. Lamettrie hatte geschrieben, dass die Schuldgefühle wie Peitschen seien, die von Moral, Politik und Religion erfunden wurden, um die Menschen daran zu hindern, glücklich zu sein.
    Über sein Verhältnis zur Königin würden sich bestimmt viele aufregen. Aber er hatte sich verliebt, ohne dass er es geplant hatte, ohne Absicht und Vernunft. Er hatte sich zuerst dagegen gewehrt. Doch nun war es schön, nein, traumhaft und rauschhaft, besonders, weil sie eine Königin war. Das musste er sich eingestehen.
    Daneben war er voller staatspolitischer Gedanken, denn er wollte Dänemark, über dem schwere Wolken hingen, gesund machen. Er wollte das kranke Land verarzten, ehe es an seinen Leiden, inneren Geschwüren und äußeren Wunden eingehen würde. Für ihn stellte sich der Fall als sehr dringlich dar. Seine Ungeduld begann ihn an diesen schönen Sommertagen zu plagen. Er wollte, dass es endlich vorwärtsginge. Es fehlte ihm die Weisheit des großen Staatsmanns, den günstigen Augenblick für seine Ideen abzuwarten.
    In Travental wurden Vorbereitungen getroffen, nach Kopenhagen zurückzukehren. Auf den Feldern waren die Schnitter tätig in langen Reihen, mit weit ausholenden Sensen. Hinter ihnen die Frauen mit Kopftüchern und langen blauen Schürzen, die den Weizen zusammenrafften und die Garben banden. Ihnen folgten Kinder, die die Garben zu Hocken zusammensetzten und die verlorenen Ähren sammelten. Als die Schnitter die letzten Reihen von Ähren niederlegten und die Pferde unruhig neben den Deichseln stampften, stiegen Mathilde und Struensee langsam einen Hügel empor, der von einer einzigen mächtigen Eiche gekrönt war.
    Hier reichte der Blick weit über das Land, über die Felder, auf denen die Hocken standen, und auf die Wiesen, auf denen das Vieh weidete. Sie setzten sich auf einen Stein, der noch warm war von der Sonne, und sahen hinüber zum Schloss Travental. Ein leichter Wind kam auf und Mathilde schauderte ein wenig. „Ist dir kalt?“, fragte er besorgt. Sie schüttelte den Kopf und sah ihn ernst an. Sie küssten sich. Nach einer Weile des Schweigens sagte sie bedrückt: „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.“
    „Was denn?“, fragte er erschrocken.
    „Ich erwarte ein Kind.“ Es dauerte eine Weile, bis er das begriff, aber dann rief er voller Freude: „Ein Kind!“ Sie weinte und er nahm sie sanft in die Arme.
    Am 24. August kehrte der Hof nach Frederiksborg zurück und am 4. September unterschrieb Christian drei von Struensee konzipierte Kabinettsorder: Verkündigung der absoluten Pressefreiheit, Bekämpfung der Titelsucht und Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Klärung der gescheiterten Strafaktion gegen das Piratennest Algier, das Bernstorff geleitet hatte. Am 15. September erhielt Bernstorff sein Entlassungsschreiben. Von diesem Zeitpunkt an herrschte Struensee als „graue Eminenz“ im Schatten des Königs. Derweil verdichteten sich die Gerüchte über das Verhältnis des Ministers mit der Königin.
    Die Kammerdiener waren empört. Sie durften nicht mehr den Kaffee servieren oder das Geschirr hinaustragen, wenn sich Struensee bei der Königin aufhielt, ja, sie durften dann überhaupt nicht mehr den Raum betreten, sondern mussten sich außer Hörweite aufhalten. Aufmerksam spähten sie auf die Uhr, wie lange diese Besuche dauerten und in welchem Zustand sich die Königin danach befand. Arztbesuche waren diese Visiten jedenfalls nicht, dachten sie höhnisch. Das

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