Der Fall Struensee
große Spionieren begann. In Frederiksborg führte eine Tür vom Schlafzimmer der Königin hinaus auf einen Gang, der direkt zum Zimmer Struensees führte, und nur die Königin besaß für diese Tür einen Schlüssel.
So wurde denn dieser Schlüssel unauffällig in Wachs getaucht, und am nächsten Morgen war die Wachsglasur verschwunden. In der Tür aber hatte ein Papierschnipsel gesteckt, der jetzt auf dem Boden lag. Ein andermal streuten die Spione ein wenig Puder auf den Boden, darin zeichneten sich am nächsten Tag deutlich Männerstiefel ab. Das waren Beweise genug. Solche Details wurden zusammengetragen und füllten schließlich viele Seiten in den Akten, die der Inquisitor Lurdorph darüber angelegt hatte.
Struensee war es, als ob er aus weiter Ferne unversehens wieder in den Verhörraum zurückkatapultiert würde. Ihm war übel. Er war am Ende seiner Kraft und einem Zusammenbruch nahe.
Als er nicht mehr auf die Fragen Lurdorphs reagierte, wurde er in seine Kerkerzelle zurückgebracht. Als die Richter allein waren, sagte Lurdorph zu seinen Räten: „Das war ein überraschender Erfolg. Ich war auf ein viel längeres Verhör gefasst.“ Bram antwortete: „Es war ihm wohl nicht klar, dass seine Position legal unangreifbar gewesen wäre, wenn er sich weiter in sie verschanzt hätte. Aber plötzlich versagte etwas in ihm.“ „Er ist eingeknickt, er war am Ende. Ein schwacher Charakter“, ergänzte Wind verächtlich. „Wie auch immer“, antwortete Bram, „es war nicht sehr galant, die Königin so preiszugeben.“ „Aber gut, dass es so kam“, bemerkte Lurdorph, „so eindeutige Beweise für den Ehebruch hatten wir nämlich nicht in Händen. Gerede, Verdächtigungen der Zofen, das hat letztlich wenig Gewicht.“ Er schlug mit der Faust auf Struensees Geständnis. „Doch dieses Geständnis kann kein Verteidiger wegerklären. Aber selbst das genügt uns nicht. Wir brauchen auch noch die Unterschrift der Königin, damit alles hieb-und stichfest ist.“
„Vermutlich wird sie Schwierigkeiten machen“, sagte Bram.
11. Die Königin
Mathilde saß in ihrem Gefängnis zu Kronborg, in der Turmstube des Schlosses, hoch über Land und Meer. Der Raum war weiß gekalkt, die Fenster vergittert. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, ein paar Stühlen und einem Frisiertisch mit einem halb blinden Spiegel. In den ersten Tagen ihrer Haft hatte sie alle Nahrung verweigert und sich häufig weinend aufs Bett geworfen. Nach und nach hatte sie sich ein wenig beruhigt. Über das Schicksal Struensees wusste sie nur, dass auch er verhaftet worden war. Sie durfte nur fromme Bücher lesen, Bibel und Gebetbuch lagen auf dem Tisch. Ihr aber kamen Verse aus Shakespeares Hamlet in den Sinn, der hier in der Kronburg gelebt haben soll: „Ob´s edler im Gemüt, die Pfeil´ und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen -
Nichts weiter! – und zu wissen, dass ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unseres Fleisches Erbteil - ´s ist ein Ziel
Aufs Innigste zu wünschen. Sterben – schlafen.“
Sie durfte ihre kleine Tochter stillen. Ungeduldig wartete sie jeden Morgen auf die Kinderfrau mit dem Kind. Das kleine Mädchen schien sich wohlzufühlen, es lachte, sobald es die Mutter sah, und streckte die winzigen Hände nach ihr aus. Wenn das Kind da war, vergaß sie, dass sie eine Gefangene war und die Angst vor einer unbekannten Zukunft. Sie musste ihre Familie in England verständigen. Es war ungeheuerlich, dass man sie eingesperrt hatte! Sie verlangte, den englischen Botschafter zu sehen. Aber Leutnant Schleemann sagte ihr, dass ein solches Zusammentreffen, weil verfrüht, zur Zeit nicht möglich wäre. Sie fragte nach ihren Freunden. Alles, was sie erfuhr, war, dass Struensee und Brandt noch immer in der Zitadelle gefangen waren.
Die Tage vergingen langsam. Sie stand stundenlang am Fenster und blickte hinaus auf die See. Sie sehnte sich nach ihrem Liebsten und begann von früheren glücklicheren Zeiten zu träumen. Vor ihrem inneren Auge erschien die wohlgebildete Gestalt ihres Geliebten, seine dunkelblonden Haare wehten im leichten Sommerwind, seine blauen Augen sahen sie zärtlich an. Sie dachte an seine kräftigen schlanken Hände, die sie liebkosten. Er war galant, von feinen Sitten, gelegentlich ließ er eine ungeduldige Heftigkeit erkennen, wenn es um politische Themen ging, doch meist war er sehr
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