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Der Fall Zamar (German Edition)

Der Fall Zamar (German Edition)

Titel: Der Fall Zamar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Maak
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Teil des Landes. Aber unsere Familie war nie so stark geprägt, dass wir jede der 114 Suren des Korans intensiv lebten. Dennoch verehren wir Allah. Wir lebten weltoffen und wollten den Vorschritt auch in unserer Stadt voranbringen. Mit 14 wohnte ich dann in Bagdad bei meinem Onkel. Ich sollte im Krankenhaus viel von ihm lernen.“
    „Und hast du viel gelernt?“
    „Ja, durchaus“, antwortete Madea. „In der Woche waren es nur abends zwei, drei Stunden im Krankenhaus, aber am Wochenende auch mal mehr.“ Madea drehte sich jetzt zu ihm und stellte fest, dass Dan sie anblickte.
    Eine kleine Pause entstand, beide schauten wieder aufs Spielfeld.
    „Was machen deine Eltern eigentlich?“ Natürlich wusste Daniel um ihre Eltern, aber er wollte wissen, wie sie auf dieses Thema reagiert. „Was haben die dazu gesagt, dass du so weit von zu Hause fort bist?“ Er überlegte genau, wie er die Fragen formulierte.
    Madea wollte diese Frage auf keinen Fall beantworten, sie starrte zum Spielfeld und verfolgte weiter die Aktionen der Spieler. Aber um Dan nicht vor den Kopf zu stoßen, zauberte sie ein Lächeln auf ihr Gesicht und sagte: „Habe ich bei dieser Quizfrage einen Joker? Ich würde gern bei diesem Punkt aussetzen.“
    Dan lachte. „Sicher doch.“
    Bevor Dan wieder solch unangenehmes Thema anschnitt, fragte Madea: „Was ist mit deinen Eltern, wo kommst du her?“
    „Ich habe hier in der City eine Wohnung. Nun, meine Eltern sind vor ein paar Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Aber ich habe noch eine Großmutter, die lebt in einem Heim in Washington. Ich besuche sie, so oft ich kann.“ Daniel brauchte an diesen Antworten nichts zu ändern. Sie entsprachen der Wahrheit.
    „Oh, nun …“ Madea wusste nicht so recht, was sie sagen sollte.
    „Ist schon in Ordnung.“ Dan half ihr. Deswegen setzte er gleich zur nächsten Frage an. „Hättest du in Bagdad nicht doch auch studieren können? Dein Onkel ist doch Arzt, hat der keine Beziehungen zur Universität?“ Beim letzten Gespräch hatte ihm die Antwort zu diesem Thema noch nicht genügt.
    „Nein, nur Beziehungen reichen in Bagdad nicht aus. Das Problem sind die Gesellschaft und die Religion.“ Madea wirkte jetzt etwas gelöster. „Nach 2003 hat sich im Irak vieles geändert. Hussein wurde gejagt und getötet, das Land fiel politisch auseinander und viele radikalislamische Gruppen und Milizen bildeten sich. Jede beansprucht ihre Macht und jede geht fanatischer vor als die andere. Und die wirklich Leidtragenden sind die Frauen. Man lässt ihnen keinen Freiraum mehr in ihrem Land. Die Männer wollen wieder die totale Kontrolle über die Frauen, die sich ihnen unterwerfen sollen. Sie wollen die Unterdrückung der Frauen, das ist so bei den Vätern und Brüdern und später bei den Ehemännern und sogar bei den eigenen Söhnen, weil sie es nicht anders kennengelernt haben. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Und da hilft auch nicht der Aufbau einer demokratischen Regierung. Also, ich meine nicht, dass unter Hussein die Leute gut gelebt haben, nein so war das nicht. Aber unter Hussein hatten die Frauen weitreichendere Rechte als heute.“
    Madea schaute ihn jetzt in Erwartung irgendeines Kommentares an. Dan aber sagte nichts. Also erzählte Madea weiter. „Weißt du, in manchen Gegenden dürfen die Frauen nicht mal mehr ein Auto fahren. Immer mehr wird der weiblichen Bevölkerung die Bildung versagt. Unter Hussein konnten alle Kinder zur Schule gehen. Heute sitzen 70 % der Mädchen zu Hause, weil sie nicht in eine Schule gehen dürfen. Junge Frauen sollen nicht mehr studieren. Das heißt, Frauen sollen in ihrer Bildung auf niedrigstem Niveau gehalten werden, damit sie nur keine Gefahr für die dominierende Männerwelt darstellen, damit sie nur nicht ihre Rechte erkennen und wahrnehmen können. Aber es gibt dennoch viele Mädchen, die trotzdem etwas lernen wollen, die zur Uni oder in die Hochschulen gehen. Diese jungen Frauen werden jeden Tag mit Anfeindungen und Schlägen bedroht, das ist eine enorme Belastung, die nicht alle durchstehen. Als ich noch bis vor wenigen Monaten in Bagdad war, wurde ich auch wieder gezwungen, ein Kopftuch zu tragen.“
    Madea ließ ihn das alles kurz verdauen, dann redete sie weiter. „Du musst dir mal vorstellen, da wurden Busse, die zur Universität unterwegs waren, drei Mal in der Woche von den Mahdi-Milizen angehalten. Bei jedem Stopp wurde kontrolliert, ob die Mädchen Kopftücher tragen. Und wenn sie beim dritten Mal

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