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Der Fall

Titel: Der Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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bräunliches Rinnsal über ihren Kittel lief.
    Um den Raum nicht zu kontaminieren, zog Fawcett sie sofort nach draußen. Während Sara sich vor dem Obduktionsraum in einem Metallwaschbecken säuberte, fragte er: »Möchten Sie vielleicht jetzt Ihren Kaugummi?«
    »Ich glaube schon«, sagte Sara und spuckte den letzten Rest ihres Frühstücks aus. Nachdem sie sich den Mund ausgespült und etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, blickte sie zu Fawcett auf.
    »Bereit für den nächsten Versuch?«, fragte er und reichte ihr einen frischen Kittel.
    »So bereit wie nur möglich.« Nach einer raschen Untersuchung von Donigers Leiche trat Fawcett auf das Pedal, mit dem sich sein Diktiergerät in Betrieb setzen ließ. Seine Diktion wurde präzise und betont knapp. »Im linken und rechten Femoraldreieck sowie an der linken Seite des Halses befinden sich Balsamierungsinzisionen. Die einbalsamierte Leiche ist die eines gut entwickelten, gut genährten sechsundsechzigjährigen Weißen von einhundertdreiundsiebzig Zentimetern Größe und achtundsiebzig Kilo Gewicht. Er hat braunes Haar und keine erkennbaren äußeren Verletzungen.« Als Fawcett Donigers Augen öffnete, entfernte er zwei Plastikscheiben, die wie trübe Kontaktlinsen aussahen.
    »Was ist das?«, fragte Sara.
    »Augenkappen«, erklärte ihr Fawcett. »Einer der Lieblingstricks der Bestattungsunternehmer. Das sind Linsen mit Sägezähnen – damit die Augen zu bleiben. Für immer.«
    »O Gott«, sagte Sara.
    »Aber es funktioniert. Trotzdem mag ich die Dinger nicht. Aber das ist Einstellungssache.« Fawcett legte die Augenkappen beiseite und griff nach einem Skalpell. Mit einer raschen Handbewegung schnitt er ein großes Y in Donigers Brust. Die Inzisionen verliefen von den Schultern schräg nach unten, trafen sich in der Mitte der Brust und führten die Bauchdecke hinunter. »Gut kauen«, sagte Fawcett, als er merkte, dass sich Saras Kiefer nicht mehr bewegten. »Jetzt kommt das Schlimmste.«
    Auf seine Aufforderung hin begann Sara wie wild zu kauen. Aber auch das half nichts. Fawcett griff in den Mittelpunkt des Y und zog die Haut von Donigers Leiche zurück, sodass darunter die Rippen und die meisten seiner inneren Organe zum Vorschein kamen. Das war der Moment, in dem ihr der süße Alkoholgeruch der Balsamierungsflüssigkeit entgegenschlug.
    »Sind Sie noch da?«, fragte Fawcett.
    »Ich … ich glaube schon«, stammelte Sara. Sie versuchte nur noch an die Frische ihres Spearmint-Kaugummis zu denken.
    »Gut – weil ich nämlich eben gelogen habe. Das hier ist das Schlimmste.« Er legte das Skalpell beiseite und griff nach einer über einen Meter langen Schere aus rostfreiem Stahl. »Gärtner kappen damit dicke Zweige; ich benutze sie für alte Knochen.« Damit machte er sich nun über Donigers Rippen her und schnitt sie von oben nach unten der Reihe nach durch. Jedes Knacken hörte sich an wie das Geräusch, mit dem ein hölzerner Schläger gegen einen Baseball trifft. Zunächst zog er das Brustbein vom Herzen weg, um es sauber zu machen, dann entfernte er fünf Rippen, die im Zwerchfell steckten.
    »Kaugummi, Kaugummi, Kaugummi«, murmelte Sara vor sich hin.
    Als die Rippen entfernt waren, untersuchte Fawcett die inzwischen leichter zugänglichen Organe. »Sehr gut«, sagte er, anscheinend zufrieden. »Zum Glück haben sie nur mäßigen Gebrauch vom Trokar gemacht. Das meiste ist intakt.« An Sara gewandt, fügte er hinzu: »Was, sagten Sie, hat ihm seine Frau am Abend vor seinem Tod zu essen gegeben?«
    »Apfelsaft und einen Müsliriegel. Warum?«
    Fawcett beugte sich über die Leiche, nahm das Skalpell und brachte im Magenbereich mehrere Schnitte an. Zufrieden mit seiner Arbeit, schob er die Hände unter das Organ, hob den Magen heraus und legte ihn in eine bereitstehende Metallschüssel. Dann wandte er sich wieder Sara zu. »Weil wir einen Blick reinwerfen und uns selbst überzeugen werden.«
    Dreieinhalb Stunden später, beim letzten Streifen ihrer zweiten Kaugummipackung, verließ Sara den Obduktionsraum. Durch die offene Tür beobachtete sie, wie Fawcett ein Tuch über die Leiche zog und ein paar letzte Angaben in das Diktiergerät sprach. Als Fawcett zu ihr nach draußen kam, konnte sie ihre Neugier kaum mehr im Zaum halten. »Was meinen Sie?«, fragte sie aufgeregt. »Ist es ein Mord?«
    »Ich kann Ihnen nur Fakten nennen – welche Schlüsse Sie daraus ziehen, ist Ihre Sache.«
    »Alles wunderbar, bloß habe ich die letzten dreieinhalb Stunden nichts

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