Der Fall
sind sie knapp bei Kasse. Als Sara ihren Job verloren hat, traf sie der Einkommensausfall ziemlich hart. Soweit ich es beurteilen kann, haben sie in den letzten sechs Monaten fast ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht.«
»Das passiert meistens, wenn man einen gut bezahlten Job verliert«, lautete Raffertys Kommentar dazu. »Was macht Jared, ihr Mann?«
»Er arbeitet seit sechs Jahren als Strafverteidiger in einer großen Anwaltskanzlei. Ziemlich renommierte Firma, Wayne & Portnoy.«
»Er ist Strafverteidiger?«
»Kaum zu glauben, nicht? Zwei Anwälte in einer Familie. Dümmer hätte es kaum kommen können.«
»Im Gegenteil, das ist sogar eine gute Nachricht.«
»Wie das?«
»Sagen wir nur mal, ich sehe da einige interessante Möglichkeiten.«
Sara nahm zwei Stufen auf einmal, als sie in ihrem braunen Sandsteinhaus in der Upper West Side, einen Block vom Museum of Natural History entfernt, die Treppe hinauf rannte. Sie schloss die Wohnungstür auf und trat ein. Im Wohnzimmer war es dunkel. »Mist«, schimpfte sie. Jared war noch nicht zu Hause. Sie machte das Licht an und drückte auf den Abspielknopf des Anrufbeantworters. Es war eine Nachricht auf Band. »Sara, hier Tiffany. Bist du da?« Sie lauschte der Stimme des jungen Mädchens, das sie im Zuge des Big-Sisters-Projekts betreute. »Möchtest du mal hören, wie es sich anhören würde, wenn du ein Rockstar wärst?«, fragte Tiffany. »Saaaaaara! Saaaaaara!« Eine kurze Pause. »Saaaaaara! Saaaaaara!« Eine längere Pause. »Du dachtest nicht, dass ich es noch mal tun würde, wie? Ruf mich doch einfach an. Und vergiss nicht, dass wir für Donnerstagabend was vorhaben! Hi, Jared! Bis dann.«
Lachend ging Sara in die Küche und begann mit den Vorbereitungen fürs Abendessen. Ihre Aufgabenteilung war einfach: Wer als Erster nach Hause kam, übernahm das Kochen, der Zweite den Abwasch. Wenn sie die Wahl hatte, wusch Sara lieber ab, während Jared lieber kochte. Das war etwas, was er von seinem Vater hatte, der gern in der Küche experimentierte.
Sara und Jareds Dreizimmerwohnung nahm den ganzen ersten Stock des fünfstöckigen Apartmenthauses ein. Sie hatte ein eigenes Esszimmer und ein relativ großes Schlafzimmer, aber der größte Raum war das Wohnzimmer. Mit seinem dick gepolsterten, mit einem Schonbezug versehenen Sofa und dem überdimensionierten weinfarbenen Sessel war es der beste Ort zum Entspannen und Abschalten.
Die Wohnung war in einem, wie Sara es nannte, »Schrägen Erbstücke«-Stil eingerichtet und als solche eine Mischung aus Saras Zwanglosigkeit und Jareds Sammlerleidenschaft. Während Jared sich während des Jurastudiums noch auf alte Filmprogramme und seltene Kinoplakate konzentriert hatte, ging er nach dem Examen zu richtigen Filmrequisiten über. Als sie genau die Hälfte des Achtzigtausend-Dollar-Darlehens für Saras Studiengebühren zurückgezahlt hatten, feierte Jared dieses Ereignis mit dem Kauf seines ersten teuren Sammlerstücks: eines Schilds von Kirk Douglas aus dem Film Spartacus, der nun über dem Sofa an der Wand hing. Hinzugekommen waren seitdem noch eine Tüte Corn Nuts aus Heathers, ein Satz Salz- und Pfefferstreuer aus American Diner, eine kunstvoll verzierte Schriftrolle aus Ein Mann zu jeder Jahreszeit und das Glanzstück seiner Sammlung, das Messer, mit dem Roman Polanski in Chinatownj ack Nicholson die Nase aufgeschlitzt hatte. Während Jared seine Sammlung als eine Möglichkeit betrachtete, Popgeschichte zu erhalten, sah Sara darin ein Mittel, Jared bei Laune zu halten.
Umgekehrt wurde Sara durch die sechs gerahmten Bilder an der rechten Seitenwand bei Laune gehalten. Im Verlauf der letzten sechs Jahre hatte sie an jedem Hochzeitstag ein Porträt von Jared gezeichnet. Sie hatte zwar nie eine Ausbildung im Zeichnen erhalten, hatte aber schon immer gern gezeichnet. Sie malte nicht gern, sie skizzierte nie etwas, und wenn sie zeichnete, dann nie mit Bleistift – nur mit Tusche. Sie strebte keine Perfektion an; was zu sehen war, musste reichen.
Sara zerdrückte Knoblauch, hackte Zwiebeln, schnitt Paprika und zerkleinerte die restlichen Zutaten für eine selbst gemachte Tomatensoße. An sich hätte es auch eine Fertigsoße getan, aber die Hoffnung, ihre Stelle behalten zu können, versetzte sie in die Stimmung, Jared mit einem richtigen Sugo zu überraschen. Fünfzehn Minuten später kam Jared zur Tür herein. Er warf einen kurzen Blick auf Sara und musste lächeln.
»Schätze, für dich hat der Tag doch noch
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