Der Fall
auch in Zukunft den Mund hält.« Rafferty stand auf und rückte seine Krawatte zurecht. »Aber was halten Sie vom Unfall ihres Großvaters? Glauben Sie, da könnte etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein?«
»Hört sich ganz so an, als wäre er gestolpert und die Treppe runtergefallen. So was passiert ständig. Warum?«
»Ich weiß nicht«, sagte Rafferty. »Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass da jemand anders seine Finger im Spiel hatte.«
11
»Wie geht’s Ihrem Großvater?«, fragte Conrad Moore, als Sara und Guff sein Büro betraten.
»Soweit ganz okay. Die Schwester sagte, er hätte die ganze Nacht durchgeschlafen, was ein gutes Zeichen ist.«
»Freut mich zu hören«, sagte Moore. »Und um zu den schlechten Nachrichten zu kommen: Victor hat mir von Ihrem Gespräch mit Monaghan erzählt.«
»Ja?«, fragte Sara verwundert.
»Ich verstehe diesen Kerl nicht«, sagte Guff. »Letzte Woche wollte er Sie noch in der Luft zerreißen, und diese Woche ist er Ihr BFL.« Als er merkte, dass niemand verstand, was er meinte, fügte er hinzu: »BFL – bester Freund auf Lebzeiten. Hatten Sie auf der Junior Highschool keinen?«
Ohne auf den Witz einzugehen, sah Moore Sara forschend an. »Sie glauben immer noch, Victor steckt da mit drin?«
»Ich müsste schön blöd sein, wenn ich das nicht glaubte. Egal, was ich tue, er weiß immer Bescheid, was ich vorhabe. Und das kann nur eins bedeuten: Entweder ist Victor Stockwell wirklich rührend um mich besorgt oder, auch wenn es Ihnen noch so sehr gegen den Strich geht, wirklich korrupt.«
»Ich will kein Wort mehr davon hören.« Moore sah sich auf dem Gang um, dann schloss er die Tür. Als er an seinen Platz zurückkehrte, erklärte er Sara: »Seien Sie bitte auf der Hut! Victor ist fast fünfzehn Jahre bei dieser Behörde. Er hat eine Menge Freunde in diesem Gebäude, und er ist jemand, den man sich lieber nicht zum Feind machen sollte.«
»Alles schön und gut«, sagte Sara. »Aber was heißt das für mich konkret?«
»Es heißt, dass Sie einen verdienten Mitarbeiter beschuldigen, ohne Beweise zu haben. Haben Sie eigentlich inzwischen seine alten Prozessunterlagen durchgesehen?«
»Die meisten. Aber ich glaube, es wird langsam Zeit, dass ich mich nicht mehr mit diesem verstaubten Kram aufhalte, sondern mich wieder der eigentlichen Frage zuwende: Warum will einer der besten Ankläger dieser Behörde diesen unbedeutenden Einbruch übernehmen? Darüber habe ich heute Morgen in der U-Bahn nachgedacht. Was kann ein SB A mit einem Fall machen, außer ihn zu verfolgen?«
»Wir können eine Strafverfolgung ablehnen oder es zu einem geringfügigeren Delikt herunterstufen«, antwortete Moore.
»Und sonst noch?«, fragte Sara. »Denken Sie bitte auch an die Gegenseite. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass zunächst jemand aus meiner alten Kanzlei und dann Jared mit der Verteidigung betraut wurde. Ganz offensichtlich hält da jemand seine schützende Hand über Kozlow. Er muss Beziehungen zu einer einflussreichen Persönlichkeit haben. Und nun nehmen wir mal an, diese Person kennt auch Victor Stockwell. Wenn Sie ein korrupter SBA wären, was könnten Sie sonst noch tun?«
»Sie könnten den Fall einfach unterschlagen«, sagte Guff.
»Genau«, erklärte Sara und zeigte auf ihren Assistenten. »Genau das habe ich auch gedacht. Stockwell verspricht einem einflussreichen Mann, den Fall zu unterschlagen. Aber als der Fall reinkommt, schnappt ihn sich ein übereifriger SBA, bevor er auf seinem Schreibtisch landet. Als Stockwell davon erfährt, kriegt er einen Anfall und lässt die ECAB-Sekretärin jeden SBA anrufen, bis sie herausgefunden haben, wer ihn hat.«
»Aber wenn das alles stimmt, warum hat Stockwell den Fall dann nicht zurückverlangt?«, wandte Guff ein.
»Das konnte er an diesem Punkt nicht mehr. Weil ich bereits von seiner Existenz wusste. Es war zu spät, um –«
»Sind Sie inzwischen beide komplett verrückt geworden?«, fuhr Moore an dieser Stelle dazwischen. »Sie glauben, Victor Stockwell würde Fälle unterschlagen?«
»Das wäre zumindest eine Möglichkeit.«
»Es ist ein Unterschied, ob etwas möglich ist oder ob es beweisbar ist«, erklärte Moore. »Und solange ich es nicht beweisen kann, würde ich an Ihrer Stelle auf keinen Fall so etwas sagen. Abgesehen davon steht es Ihnen nicht zu, jemanden wie Victor in dieser Weise zu verdächtigen.«
»Wenn das wirklich Ihre Überzeugung ist, warum ermuntern Sie mich dann ständig
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