Der Fall
Promenade des Battery Park, von der man einen herrlichen Blick auf den Hudson River hatte. Der Battery Park an der Südspitze Manhattans war für Sara einer der wenigen Orte, an denen sie New York wirklich entkommen konnte. Im Gegensatz zum Central Park, in dem es von Touristen und Einheimischen wimmelte, die um einen Platz zum Joggen, Rollerbladen und Ausspannen wetteiferten, wurde die am Fluss entlang führende Joggingstrecke des Battery Park vorwiegend von Anwohnern und einigen wenigen Pendlern genutzt, die im nahen Bankenviertel arbeiteten. Außerdem machte ihn sein von Bäumen gesäumter, gewundener Spazierweg zu einem idealen Ort für ein unbemerktes Treffen in aller Abgeschiedenheit.
Sara sah gerade wieder einmal auf die Uhr und fragte sich, warum es so lange dauerte, als sie hinter sich jemanden rufen hörte: »Nur keine Angst, ich versetze dich schon nicht!« Als Sara sich umdrehte, sah sie Barrow mit einem breiten Grinsen auf sich zukommen. Sie erwiderte sein Lächeln nicht. »Wieso machst du so ein langes Gesicht?«, fragte Barrow, als er sich neben sie auf die Parkbank setzte.
»Ich habe mir nur Sorgen gemacht, du könntest nicht kommen.«
»Das kann ich sehen«, bestätigte ihr Barrow mit einem Blick auf ihre angenagte Nagelhaut. »Wie wär’s, wenn du endlich mit der Sprache rausrücken würdest? Was ist so wichtig, dass du mich den weiten Weg hier runter hast kommen lassen?«
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Und da es sich dabei um eine größere Sache handelt, hielt ich es für das Beste, dich persönlich zu fragen.«
»Sara, wenn du irgendwelche Informationen über Jared haben möchtest, ist meine Antwort nein.«
»Hör mir doch erst mal zu! Ich weiß, dass ich dich damit in Verlegenheit bringe, aber ich habe ernste Probleme.«
»Sara, ich bitte dich. Jared und ich –«
»Ich weiß, ihr kennt euch schon sehr lange. Und ich weiß auch, dass du nichts tun würdest, was ihm schaden könnte. Aber in dieser Angelegenheit bin ich dringend auf deine Hilfe angewiesen. Glaubst du etwa, ich würde dich um so etwas bitten, wenn es nicht um Leben und Tod ginge?«
Barrow sah auf den Hudson River hinaus. »Ist die Sache wirklich so ernst?«
»Ich schwöre dir, Lenny. Wenn es nicht so wäre, wäre ich nicht hier.«
Barrow weigerte sich immer noch, Sara anzusehen, und starrte weiter unverwandt auf die riesige Colgate-Uhr, die im Hudson River schwamm, und murmelte: »Tick-tack, tick-tack.« Schließlich wandte er sich Sara zu. »Es tut mir leid. Aber das kann ich unmöglich tun.«
»Du verstehst nicht«, beschwor ihn Sara. »Es ist –«
»Bitte, Sara. Mach es mir nicht schwerer, als es ohnehin schon für mich ist. Als ich Jared fragte, ob es okay wäre, mich mit dir zu treffen, wollte er, dass ich dir ein paar falsche Informationen unterschiebe. So etwas würde ich zwar nie tun, aber ich würde auch nichts gegen ihn unternehmen. Das ist die einzige Möglichkeit, weiter mit euch beiden befreundet zu bleiben.«
»Dann wirst du mir also nicht helfen?«
»So schwer es mir fällt«, sagte Barrow. »Aber in diesem Fall muss ich dich leider enttäuschen.«
Sara war fix und fertig, als sie die Treppe zum Untergeschoss des Rockefeller Center hinabstieg. Ihr Treffen mit Barrow war wesentlich schlechter verlaufen, als sie erwartet hatte. Außerdem hatte es sie in ihren Befürchtungen bestärkt, dass es ihr immer weniger gelang, für Jareds Sicherheit zu sorgen. Als sie endlich den Eingang zu Wayne & Portnoys jährlich stattfindender Herbstfeier erreichte, die von allen liebevoll nur ›der Ball‹ genannt wurde, holte sie deshalb erst einmal tief Luft: und versuchte, die Vorkommnisse des Tages zu vergessen. Auch wenn ihre Ruhe nur oberflächlicher Natur war, sollte Jared auf keinen Fall merken, wie aufgewühlt sie war.
Nachdem die Hostess Saras Namen auf der zweiundzwanzig Seiten und über eintausend Personen umfassenden Gästeliste gefunden hatte, deutete sie auf das riesige Zelt, das dort errichtet worden war, wo sich normalerweise die Eisfläche des Rockefeller Center befand. »Damit das Ganze etwas intimer ist, haben wir ein Zelt auf der Eisbahn gebaut, wie Sie sehen können. Dort befindet sich auch die Tanzfläche; für Musik sorgt DJ Sir Jazzy Eli. Wenn Sie etwas essen wollen und eine formellere Atmosphäre suchen, gehen Sie am besten dorthin.« Die Hostess deutete auf die Ladenzeile entlang der Eisfläche.
»Sind die Restaurants geöffnet?«
»Heute Abend nicht«, erklärte die Hostess
Weitere Kostenlose Bücher