Der falsche Apostel
gefunden hatte. Ich beschwor
ihn im Namen unseres gemeinsamen Glaubens, erinnerte ihn an die heilige Brigid, an das Wohl und Wehe unserer Gemeinschaft. |44| Er ging nicht darauf ein, lehnte mein Ansinnen höflich, aber entschieden ab und sagte, er fühle sich auf Ehre und Gewissen
verpflichtet, Uí Failgi von seiner Entdeckung Mitteilung zu machen.
Ich führte ihm vor Augen, zu welch weitreichenden Komplikationen es kommen würde. Verbreitete sich die Nachricht von der Goldmine,
bestünde ähnlich wie in Cuillin die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen.«
Fidelma begleitete eine solche Vorstellung mit bedächtigem Kopfnicken, hatte doch auch sie ähnliche Befürchtungen.
»Ich bin der Vorgänge in Cuillin sehr wohl eingedenk, Ehrwürdige Mutter.«
»Du bist dir sicher auch bewusst, dass Kildare im Land der Uí Failgi liegt, in unmittelbarer Nähe der Stammesgebiete der Uí
Faeláin im Nordosten und der Uí Máil im Südosten. Lediglich die trostlose Ebene des Hochmoors von Aillín befindet sich zwischen
uns und ihnen. Das Wort ›Gold‹ wird in den Stammesfürsten einen wahren Rausch entfachen, denn ein jeder von ihnen ist auf
Macht versessen. Den uns ans Herz gewachsenen, grünen Flecken hier, friedlich und unbeschadet wie er ist, wird man mit dem
Blut von Kriegern und dem der Menschen tränken, die hier einst in Harmonie mit der Natur lebten. Der Gemeinschaft von Kildare
wird es nicht anders als der Spreu vom Weizen ergehen – sie würde in alle Winde verweht werden.«
»Und doch bleibt die Frage offen: Was hat Sillán so verärgert?«
Äbtissin Ita gab sich als Schmerzensreiche.
»Als ich ihm das alles auseinandergelegt hatte und er immer noch dabei blieb, es wäre seine Pflicht, Uí Failgi von seinem
Fund zu berichten, wies ich ihn darauf hin, dass er die volle Verantwortung für sämtliche Folgen trüge. Gottes Fluch sei ihm |45| sicher, weil er den Frieden des Landes gestört hätte. Verdammt würde er sein, sowohl in dieser als auch in der nächsten Welt.
Der Name Sillán würde fortan für die Zerstörung des heiligen Schreins der Brigid von Kildare stehen.«
»Und was geschah dann?«
»Sein Gesicht wurde rot vor Zorn, er verließ empört den Raum und beteuerte, noch im Morgengrauen abzureisen.«
»Wann hast du ihn dann wiedergesehen?«
»Erst zur Vesper.«
Schwester Fidelma schaute sie ernst an. Nur schwer hielten die bernsteinfarbenen Augen ihrem prüfenden Blick stand.
»Du glaubst doch nicht etwa …«, flüsterte die Äbtissin, blass geworden, denn sie las in dem jüngeren Gesicht vor ihr den Verdacht.
Schwester Fidelma blickte sie weiter unverwandt an.
»Ich bin als
dálaigh
hier, Äbtissin Ita, nicht als Mitglied deiner Gemeinschaft. Mir geht es um die Wahrheit, nicht um Wohlverhalten. In der Abtei
liegt ein Toter. Vergiftet. Aus den Umständen ist zu schließen, dass er sich nicht selbst vergiftet hat. Daraus ergibt sich
die Frage, wer hat das getan und weshalb? Wollte man Sillán davon abhalten, Uí Failgi von der verloren geglaubten Goldmine
zu berichten? Das wäre eine logische Schlussfolgerung. Wer aber würde etwas davon haben, wenn man die Wiederentdeckung des
Stollens geheim hielt? Einzig und allein die Gemeinschaft dieses Klosters, Ehrwürdige Mutter.«
»Und die Menschen im Umland!«, ereiferte sich Äbtissin Ita heftig. »Vergiss das nicht, wenn du die Rechnung aufmachst, Schwester
Fidelma. Denk auch an all das Blut, das in den kommenden Jahren nicht vergossen wird.«
»Recht kann nicht mit Unrecht erzwungen werden, so sagt es das Gesetz. Und ich muss mich an das Gesetz halten. Du |46| weißt sehr wohl, dass ich als
dálaigh
am Gericht der Brehons dem Gesetz verpflichtet bin und dass das nichts mit meinen Pflichten als Mitglied dieser Gemeinschaft
zu tun hat. Warum hast du dennoch mich gebeten, diesem Fall nachzugehen? Du selbst hättest doch Nachforschungen anstellen
können. Warum ausgerechnet ich?«
»In einem so gewichtigen Fall wie diesem würden die Darlegungen einer
dálaigh
am Gerichtshof der Brehons bei Uí Failgi mehr zählen.«
»Hast du darauf gesetzt, dass ich die Existenz der Goldmine verschweigen würde?«, fragte Fidelma mit Nachdruck.
Äbtissin Ita war erregt aufgestanden. Auch Fidelma erhob sich, so dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
»Antworte mir geradeheraus, Ehrwürdige Mutter: Hast du Sillán vergiftet oder veranlasst, dass er vergiftet wird, um zu verhindern,
dass er mit Uí
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