Der falsche Apostel
nun entdeckt, und Pater Febal bat dich um Hilfe. Das Blut an deiner Kutte fiel keinem auf. Vielleicht
hast du dir einen Umhang übergeworfen, um es zu verbergen. Du führtest Pater Febal zu Pater Ibors Leiche. Alles lief genau
so ab, wie du es geplant hattest. Pater Ibor wurde des Diebstahls beschuldigt. Pater Febal musste glauben, dass sich Pater
Ibor in einem Anflug von Reue selbst getötet hatte. Sogar die Herkunft der Stichwunde wurde erklärt. Die Tatsache, dass nur
wenig Blut auf der Erde war, erweckte keinen Verdacht. Du konntest inzwischen vorgeben, dass die Blutflecke auf deiner Kutte
von der Suche nach Ibor stammten. Vielleicht hast du, Finnlug, den Gedanken ins Spiel gebracht, dass das Kruzifix und der
Kelch nach Ibors Tod von einem zufällig vorbeikommenden Dieb gestohlen wurden.
Am nächsten Tag kam Téite ahnungslos hierher, um die Kleider zum Waschen und Ausbessern abzuholen. Adag hatte sie wie immer
zusammengesucht, unter ihnen auch deine Kutte, die mit den Blutflecken. Du hattest nicht vorgehabt, dass das Mädchen sie erhalten
sollte. Du eiltest zu ihrer Hütte, um sicherzustellen, dass sie keinen Verdacht geschöpft hatte. Vielleicht fasstest du deinen
Plan schon, bevor du zu ihr gingst? Du brachtest sie um und legtest den Kelch neben ihre Leiche. Das Kruzifix war schließlich
wertvoll genug, dir Reichtum und Besitz zu verschaffen. Es war bekannt, dass Ibor und Téite irgendeine Art von Beziehung hatten.
Jeder würde das Schlimmste vermuten. Du musstest nur noch zurückkehren und abwarten, bis du die Gemeinde verlassen könntest,
ohne Verdacht zu erwecken.«
Bruder Finnlugs Gesicht war kreidebleich.
»Du kannst das nicht beweisen«, murmelte er ohne Überzeugung.
»Muss ich es beweisen? Sollen wir das Kruzifix suchen gehen? |488| Wirst du uns sagen, wo es ist … oder soll ich es sagen?« Sie stand entschlossen auf, als wollte sie den Raum verlassen.
Bruder Finnlug stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Schon gut, schon gut. Es ist wahr. Du weißt, dass es in meiner Zelle versteckt ist. Es war eine Gelegenheit, zu entkommen
… etwas Wohlstand, ein gutes Leben zu haben.«
Pater Febal ging langsam mit Fidelma zum Tor der zur Gemeinde gehörenden Gebäudegruppe.
»Woher wusstest du, wo Bruder Finnlug das Kruzifix versteckt hatte?«, fragte er.
Schwester Fidelma warf einen raschen Blick auf den ernst aussehenden Priester, und ein schnelles, verschmitztes Lächeln huschte
über ihre Züge.
»Ich wusste es nicht«, gestand sie.
Pater Febal runzelte die Stirn.
»Wie wusstest du dann …? Wie wusstest du, dass Finnlug der Schuldige war und was er getan hatte?«, fragte er erstaunt.
»Mein Instinkt hat es mir gesagt. Natürlich war es eine Schlussfolgerung auf Grundlage der Tatsachen, die mir bekannt waren.
Aber ich glaube, wenn Bruder Finnlug von mir verlangt hätte, meine Anschuldigung zu beweisen, wäre ich bei einer Gerichtsverhandlung
unter Einhaltung der Vorschriften nicht dazu in der Lage gewesen. Es ist manchmal wichtiger, dass die schuldige Person denkt,
du wüsstest etwas, und glaubt, dass du es beweisen kannst, als dass du es tatsächlich beweisen kannst. Ohne Bruder Finnlugs
Geständnis hätte ich diese Angelegenheit am Ende womöglich gar nicht aufklären können.«
Pater Febal starrte sie noch immer entgeistert an, als sie zum Abschied die Hand hob und über die Straße in Richtung Cashel
davonschritt.
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|489| HEILIGES BLUT
»Schwester Fidelma! Wie kommst du denn hierher?«
Äbtissin Ballgel stand am Tor der Abtei von Nivelles und starrte ungläubig auf die staubige Gestalt der jungen Nonne.
»Ich bin auf dem Rückweg nach Kildare, Ballgel«, antwortete die große, schlanke Frau. Ein breites Begrüßungslächeln lag auf
dem von der Reise gezeichneten Gesicht. »Ich war eine Weile in Rom, und wo sonst sollte ich mich hinwenden, wenn ich auf dem
Weg zur Küste durch das Land der Franken komme?«
Zur Überraschung der beiden älteren Nonnen, die die Äbtissin offenbar begleiteten, fielen Ballgel und Schwester Fidelma einander
mit unverhohlener Freude in die Arme.
»Es ist lange her«, meinte die Äbtissin.
»Wahrhaftig, lange her. Ich habe dich nicht gesehen, seit du aus Kildare weggegangen bist und die Küsten von Éireann hinter
dir gelassen hast, um hierherzukommen. Und jetzt sagt man mir, du seist die Äbtissin.«
»Ja, die Gemeinschaft hat mir bei der Wahl diese Ehre zukommen lassen.«
Schwester
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