Der falsche Apostel
den unterirdischen
Gang benutzen.«
»Ja klar, wenn du wüsstest, dass es ihn gibt«, stimmte ihm Fidelma zu.
»Nur jemand, der fremd in Tara ist wie du, hätte davon keine Ahnung gehabt.«
»Wenn also jemand versucht, von außen in die Kapelle einzudringen, |81| dann kann das nur jemand sein, der den verborgenen Zugang nicht kennt.«
Rogallach bestätigte das mit nachdrücklichem Kopfnicken.
Fidelma stand am Portal und betrachtete eingehend den Riegel und seine Befestigung am Türflügel. Ihr fiel auf, dass das Metallband
verbogen und verbeult war. Dort war das Holz gesplittert, denn man hatte mit heftigen Schlägen die Haltebügel herausgetrieben.
Ein zufriedenes Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie sich klarmachte, wie der Einbrecher vorgegangen war. Sie wandte sich
zu Rogallach um. »Schick doch bitte den Wachmann Erc zu mir.«
Sechnussach, der Hochkönig, starrte Schwester Fidelma argwöhnisch an. »Ich erfahre soeben, du hättest angeordnet, dass Abt
Colmán, Ailill Flann Esa, meine Schwester Ornait und Cernach Mac Diarmuid hier erscheinen sollen. Was berechtigt dich dazu?«
Mit sittsam gefalteten Händen stand Fidelma vor Sechnussach. »Dieses Recht steht mir als Anwältin am Hohen Gericht zu, außerdem
nehme ich mir das Recht, weil ich nun darlegen kann, wie der Diebstahl deines Amtsschwerts bewerkstelligt wurde.«
Erregt beugte sich Sechnussach in seinem Sessel vor. »Du hast herausbekommen, wo Ailill es verborgen hat?«
»Ich war geradezu blind, denn ich hätte die Lösung des Rätsels längst finden können«, antwortete Fidelma.
»Wo also liegt das Schwert?«
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Schwester Fidelma kühl. »Zunächst benötige ich noch eine Antwort von dir. Ich habe Cernach
vorgeladen, den Sohn deines Oheims Diarmuid, der gemeinsam mit deinem Vater als Hochkönig regiert hat.«
»Was hat denn Cernach mit der ganzen Sache zu tun?«
|82| »Es heißt, dass Cernach ein höchst energischer Verfechter der Reformen ist, wie sie die Kirche von Rom wünscht.«
Sechnussach runzelte verunsichert die Stirn. »Er hat mir oft Vorhaltungen gemacht, dass ich meine Ansichten ändern und diejenigen
Äbte und Bischöfe in Irland unterstützen müsste, die sich für die von Rom ausgehende Kirchenzucht einsetzen. Aber richtig
erwachsen ist er noch nicht. Erst in einem Monat wird er volljährig, und erst dann steht ihm ein Sitz in der Ratsversammlung
zu. Seine Stimme hat noch kein Gewicht, wenngleich er bereits einen gewissen Einfluss auf die jungen Angehörigen unseres Hofes
hat.«
Schwester Fidelma nickte. »Das stimmt mit dem überein, was ich bereits erfahren habe, doch ich benötigte deine Bestätigung.
Die Wachtposten könnten jetzt Ailill hereinführen und die anderen Vorgeladenen. Dann werde ich darlegen, was ich herausgefunden
habe.«
Schweigend stand sie vor dem Hochkönig, während Ailill Flann Esa unter strenger Bewachung hereingebracht wurde. Ihm folgte
Abt Colmán. Die verängstigt wirkende Ornait kam herein und blickte mit erkennbarer Besorgnis auf ihren Liebhaber. Schließlich
erschien ein dunkelhaariger junger Mann, allem Anschein nach Cernach Mac Diarmuid, der sich wunderte, was er hier sollte.
In einem Halbkreis standen sie vor dem in seinem Sessel thronenden Hochkönig. Sechnussach schaute Schwester Fidelma an und
neigte den Kopf zum Zeichen, dass sie beginnen durfte.
»Ich will zusammenfassen, worin wir uns alle einig sind«, nahm sie das Wort. »Das heilige Schwert der Könige von Tara aus
dem Stamm der Uí Néill wurde aus der Kapelle des heiligen Patrick gestohlen. Auch hinsichtlich des wahrscheinlichen Motivs
herrscht Einigkeit. Es wurde gestohlen, um zu verhindern, |83| dass Sechnussach morgen zum Hochkönig erhoben wird … oder um seinen Ruf in den Augen des Volkes zu schädigen, dann würden
Unruhen zwischen den fünf Königreichen ausbrechen, die dazu führen könnten, dass Sechnussach gestürzt wird und ein anderer
den Thron besteigt.«
Sie bedachte Sechnussach mit einem flüchtigen Lächeln. »Stimmen dem alle zu?«
»Das steht doch außer Frage«, rief Abt Colmán verärgert dazwischen. »In diesen finsteren Zeiten bedarf es nur eines so unheilvollen
Omens wie des Verlusts des heiligen Schwerts, und schon herrschen Chaos und Gesetzlosigkeit in den fünf Königreichen Irlands.
Das habe ich aber von Anfang an gesagt.«
»Und wer hätte den Nutzen von Chaos und Gesetzlosigkeit, wenn infolgedessen Sechnussach
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