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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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gestürzt würde?«, fragte Fidelma,
     fuhr aber fort, ehe noch jemand antworten konnte. »Das scheint offensichtlich. Sechnussach ist eingeschworen, die Traditionen
     unserer Königreiche und unserer Kirche hochzuhalten. Rom beansprucht die Oberhoheit über alle Landeskirchen, doch gegen diesen
     Anspruch verwahren sich sowohl die Kirchen Irlands, Britanniens und Armoricas als auch die Kirchen im Osten. Rom will unsere
     Liturgie umgestalten und die Berechnungen, nach denen wir das
Cáisc- Fest
begehen zur Erinnerung an den Tod unseres Herrn in Jerusalem. Unter uns gibt es etliche, selbst Äbte und Bischöfe, die die
     Bestrebungen Roms befürworten, die unsere Riten und Bräuche aufgeben wollen zugunsten einer Vereinigung mit der römischen
     Kirche. Auch die wir hier versammelt sind sprechen wir nicht alle mit einer Stimme. Nicht wahr, Ailill Flann Esa?«
    Ailills Miene verfinsterte sich, und er brummte: »Ich habe dir doch erklärt, dass ich aus meinen Ansichten keinen Hehl mache.«
    »Somit stimmen wir alle darin überein, dass es ein inneres |84| Motiv für den Diebstahl des Schwerts gibt. Nämlich Untergraben des Ansehens des Hochkönigs und Ersetzung desselben durch jemand,
     der die bislang üblichen Bräuche ablehnt und sich voll und ganz hinter die Reformen Roms stellt.«
    Alle schwiegen und lauschten gespannt.
    »So viel zu dem offensichtlichen Motiv«, fuhr Schwester Fidelma fort. »Doch wenden wir uns den Tatumständen des Diebstahls
     zu. Kurz nach Mitternacht gehen zwei Wachleute an der Tür der Kapelle vorbei und sehen, dass die Tür geschlossen ist. Als
     sie zwanzig Minuten später wieder an der Tür vorbeikommen, bemerken sie, die Tür steht offen, der Riegel wurde gewaltsam aufgebrochen.
     Sie gehen in die Kapelle hinein und erblicken Ailill, der in die leere Truhe starrt, in der das Schwert verwahrt wird. Zu
     ihnen gesellt sich der Abt. Er ist aus der Sakristei gekommen, in die er durch den unterirdischen Gang gelangt war, der zwischen
     Abtei und Kapelle besteht. Er beschuldigt Ailill, das Schwert gestohlen und versteckt zu haben. In der Kapelle wird das Schwert
     nicht gefunden. Wenn Ailill es gestohlen hatte, wie hat er es derart schnell und geschickt verbergen können? Selbst die zehn
     Minuten, die ihm die Wächter zubilligen, hätten dazu nicht ausgereicht. Das ist die Frage, die sich mir bald stellte.«
    Fidelma unterbrach ihre Darlegungen und schaute Ornait, die Schwester des Hochkönigs, an.
    »Wie Ailill Flann Esa es schildert, ging er zufällig an der Kapelle vorbei, sah das geöffnete Portal und bemerkte auch, dass
     es jemand aufgebrochen hatte. Aus purer Neugier trat er ein und erblickte die leere Truhe.«
    »Das wissen wir längst. So und nicht anders hat Ailill uns die Geschichte erzählt«, rief Sechnussach dazwischen. »Hast du
     dem etwas Neues hinzuzufügen?«
    Schwester Fidelma ließ sich durch den aufgeregten Hochkönig |85| nicht aus der Fassung bringen. »Nur eine Ergänzung möchte ich anfügen. Ailill ging zu der Nachtstunde an der Kapelle vorbei,
     weil er auf dem Wege zu Ornait war.«
    Ornait wurde rot. Sechnussach blieb vor Überraschung der Mund offen; aufgebracht drehte er sich zu seiner Schwester.
    »Tut mir leid, Ornait, dass ich dein Geheimnis nun doch nicht hüten kann. Aber die Wahrheit muss heraus, es steht zu viel
     auf dem Spiel.«
    Trotzig schob Ornait das Kinn vor und starrte ihren Bruder an.
    »Was hast du dazu zu sagen, Ornait? Warum wollte dich Ailill mitten in der Nacht besuchen?«, verlangte der Hochkönig zu wissen.
    Das Mädchen warf den Kopf zurück. »Ich liebe Ailill, und er liebt mich. Wir hatten vor, es dir zu gestehen, wollten aber damit
     bis nach deiner Amtseinführung warten, in der Hoffnung, du würdest uns hinfort gnädiger gesonnen sein.«
    Fidelma hob die Hand, als Sechnussach zu einer wütenden Entgegnung ansetzte. »Sich darüber zu verständigen ist nachher Zeit
     genug. Bleiben wir jetzt bei der Sache. Nehmen wir an, Ailill spricht die Wahrheit, dann ist Folgendes in Betracht zu ziehen:
     Jemand muss von Ailills Verabredung mit Ornait gewusst und in der Kapelle gewartet haben. Ich selbst bin zum ersten Mal in
     Tara und hatte daher keine Ahnung, dass man in die Kapelle auch durch einen Geheimgang gelangt. Allerdings hätte ich mich
     sogleich fragen müssen, wenn die Kapellentür nachts von innen verriegelt wird, wie konnte der Diakon die Kapelle verlassen,
     nachdem er das Portal gesichert hatte? Ich hätte mir denken können,

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