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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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immer wieder Cernachs Namen im Munde. Dann entdeckte ich den Tuchfetzen im Durchgang und wurde stutzig.«
    »Aber wenn es nur darum ging, mich in Verruf zu bringen, weil ich das Schwert nicht vorweisen konnte, warum dann ein so ausgeklügeltes
     Komplott? Man hätte doch nur das Schwert stehlen und es irgendwo verstecken können, wo es nicht so leicht zu finden war«,
     bemerkte Sechnussach.
    »Das hat auch mir die meisten Kopfschmerzen bereitet. Erst allmählich begriff ich, Ornait und Ailill wollten ganz sichergehen,
     dass du nicht gekrönt wirst. Der Verlust des Schwertes würde die Menschen beunruhigen, und es würde Streit ausbrechen |94| zwischen den Stämmen. Aber allgemeine Gesetzlosigkeit war nicht ihr Ziel, sie wollten lediglich deinen sofortigen Sturz. Sie
     wollten sichergehen, dass der Große Rat seinen Beschluss widerrufen und Ailill noch während der Krönungsfeierlichkeiten sofort
     als neuen Hochkönig einsetzen würde.«
    »Wie hätte ihnen das gelingen können?«, fragte Abt Colmán. »Der Große Rat hatte doch längst seine Entscheidung getroffen.«
    »Eine Entscheidung, die vor der Amtseinsetzung jederzeit widerrufen werden kann. Wenn man Bedenken schürte hinsichtlich Sechnussachs
     Fähigkeit, dem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ließe sich der Große Rat dazu bewegen, einen anderen zu wählen. Dazu
     brauchte man dem Großen Rat nur deutlich zu machen, dass Sechnussach jemand grundlos eines Verbrechens bezichtigte, der sein
     Mitbewerber um das Königsamt war. Man hätte außerdem geltend machen können, dass Sechnussach aus persönlicher Feindschaft
     handelte, weil er Ornaits Liebesverhältnis zu Ailill missbilligte. Ich sollte Teil dieses Plans sein, Ornaits Bruder zu verstoßen
     und statt seiner Ailill auf den Thron zu bringen. Aus keinem anderen Grund wurde ich nach Tara gerufen, als Ailills Unschuld
     und Cernachs Schuld zu beweisen. Zweifel an Sechnussachs Gerechtigkeitssinn wären ein Makel gewesen, der ihn ungeeignet erscheinen
     lassen würde, Hochkönig zu werden. Wie heißt es im Gesetz über die Königswahl? Sieben Bedingungen muss ein rechtmäßiger König
     erfüllen. Sein Urteilsvermögen muss fest gegründet und gerecht und über jeden Zweifel erhaben sein. Sobald sich erwies, dass
     Sechnussachs Anordnung, Ailill einzukerkern, zu Unrecht bestand, würde man Ailill, der ohnehin der
tánaiste
war, zum Hochkönig ausrufen und mit ihm Ornait als seine Königin.«
    Sechnussach blickte finster auf seine Schwester, aus deren |95| bitterbösen Zügen er die Wahrheit ablesen konnte. Hätten Fidelmas Darlegungen noch eines Beweises bedurft, so stand er in
     dem vom Hass verzerrten Gesicht des Mädchens und in der Miene Ailills, mit der er seine Niederlage eingestand.
    »Und all das wurde unternommen, um sich des Throns zu bemächtigen? Aus keinem anderen Motiv als dem des Gelüsts nach Macht?«,
     fragte der Hochkönig ungläubig. »Sie haben das nicht getan, um die Kirche nach den Vorstellungen Roms umzugestalten?«
    »Es ging ihnen nicht um Rom, es ging ihnen nur um die Macht«, pflichtete Fidelma ihm bei. »Um zu Macht zu gelangen, sind die
     meisten Menschen zu allem bereit.«

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    |96| MORD IM TIEFSCHLAF
    »Keine Frage, Bruder Fergal hat dieses Verbrechen begangen«, sagte der Brehon im Brustton der Überzeugung. »Er hat eindeutig
     das Mädchen ermordet.«
    Der oberste Richter der Eóghanacht von Cashel war ein untersetzter Mann. In seinem runden, finsteren Gesicht verrieten klare,
     scharfe Augen einen hellen Kopf. Hinter dem bedächtigen, beinahe pingeligen Benehmen verbarg sich ein wacher, präziser Verstand.
     Er war ein Mann, der, wie es sein Beruf verlangte, das Geschehene sorgfältig betrachtete und Tatsachen gegeneinander abwägte,
     ehe er eine Entscheidung traf. Und er ließ sich von niemandem zum Narren halten.
    Mit funkelnden grünen Augen stand Schwester Fidelma vor dem Brehon und hatte die Hände demütig gefaltet. Ihr Ordensgewand
     und die Haube, unter der vorwitzige rote Haarsträhnen hervorlugten, konnten ihre Jugend und Schönheit kaum verbergen. Der
     Brehon schätzte sie auf etwa Mitte zwanzig. An ihrer Haltung fiel ihm eine unterdrückte Erregung auf.
    »Die Äbtissin hat mir versichert, dass Bruder Fergal genauso wenig fähig ist, einen Menschen zu töten, wie ein Kaninchen fliegen
     kann.«
    Der Brehon der Eóghanacht von Cashel seufzte. Er gab sich gar nicht erst Mühe, seine Verärgerung über den Widerspruch der
     jungen Frau zu

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