Der falsche Apostel
den Lebensunterhalt reicht.
Als er Congal um die Erlaubnis bat, Barrdub, die noch nicht das Alter der Wahl erreicht hatte, heiraten zu dürfen, verweigerte
ihm dieser seine Zustimmung. Warum? Weil Congal sich nicht um das Glück seiner Schwester scherte. Ihm lag nur am Reichtum.
Er verlangte den vollen Brautpreis, der der Tochter eines freien Gastwirts im Clan zusteht, obwohl er und seine Schwester
schon längst nicht mehr diese gehobene Stellung innerhalb der Gemeinschaft innehatten.«
»Und doch stand ihm das von Rechts wegen zu«, wandte der Brehon ein.
»Es war sein Recht, das stimmt. Aber manchmal können Rechte auch eine Form von Ungerechtigkeit sein«, meinte Fidelma.
»Fahre fort.«
»Rimid war nicht in der Lage, den vollen Brautpreis zu zahlen. Barrdub war wütend auf ihren Bruder und machte ihm klar, sobald
sie alt genug wäre und alles frei und selbständig entscheiden durfte, würde sie ohnehin zu Rimid gehen. Und dann würde ihr
Bruder überhaupt nichts vom Brautpreis bekommen.«
Schwester Fidelma hielt einen Augenblick inne.
»Congal hatte sich ausgemalt, die einzige Möglichkeit, seine Armut zu lindern und im Clan zu Würden zu gelangen, wäre, in
den Besitz der zwanzig Milchkühe zu kommen, die der zukünftige Ehemann von Barrdub als vollen Brautpreis zahlen müsste. Dann
kam ihm eine neue Idee. Eine hervorragende Idee. Warum sollte er sich mit zwanzig Milchkühen zufriedengeben? Falls seine Schwester
ermordet würde, dann müsste der Mörder oder die Familie des Mörders ihm eine Entschädigung zahlen, und diese Entschädigung
würde laut Gesetz mindestens |125| fünfundvierzig Milchkühe betragen. Das wäre eine Grundlage für eine anständige Herde, und damit würde er sich im Clan wirklich
Respekt verschaffen. Aber er musste natürlich dafür sorgen, dass die Person, der das Verbrechen zur Last gelegt wurde, in
der Lage war, eine solche Summe zu zahlen.
Dann tauchte Bruder Fergal auf. Ein Mönch ist zwar nicht reich, aber das Gesetz verweist stets auf die Familie einer Person,
wenn diese nicht in der Lage ist, der Familie des Opfers die entsprechende Buße zu zahlen. Es ist allgemein bekannt, dass
bei Ordensleuten das Kloster an die Stelle der Familie tritt. Falls ein Mitglied eines Ordens eines Verbrechens für schuldig
befunden wird, erwartet man vom Kloster, dass es das Sühnegeld aufbringt. Congal überlegte sich, dass sich der Orden sehr
wohl die fünfundvierzig Milchkühe leisten konnte, die seine Entschädigung sein würden. Damit war das Schicksal der unglückseligen
Barrdub besiegelt.
Congal wusste von Fergals Krankheit und kannte auch die Arznei dagegen. Er bereitete seine Kräutermischung vor, kippte Fergals
üblichen Tee fort und ersetzte ihn durch den Schlaftrunk. Er überlegte sich, dass Fergal wohl den Inhalt seines Kessels nicht
untersuchen würde, ehe er sich den Tee aufwärmte. Dann ging Congal zu Rimid und erzählte ihm, Barrdub sei in Fergal vernarrt,
sie seien ineinander verliebt. Schließlich machte er sich auf die Suche nach Barrdub, und den Rest wissen wir.
Er tötete sie, trug sie in Fergals Hütte, sobald der Mönch tief und fest schlief, ließ sie dort zurück, nachdem er Fergals
Hände und Kleidung mit ihrem Blut beschmiert hatte. Seine beiden größten Fehler bestanden darin, dass er keine Mordwaffe am
Tatort hinterließ und dass er die Spuren seines Kräutertrunks in Fergals Trinkschale nicht beseitigte.«
Sie wandte sich Congal zu, der mit kreidebleichem Gesicht und zuckendem Mund vor ihr stand.
|126| »Da steht der Mörder! Er hat seine leibliche Schwester für eine Herde Kühe umgebracht!«
Mit einem schrillen Schrei zog Congal ein Messer und wollte sich auf Schwester Fidelma stürzen. Entsetzt wichen links und
rechts die Menschen vor ihm zurück.
Kurz bevor er Fidelma erreichte, fing ihn eine dunkle Männergestalt ab und schlug ihm mitten ins Gesicht. Es war Rimid. Congal
sackte bewusstlos zu Boden. Als Rimid sich auf ihn stürzen wollte, legte ihm Schwester Fidelma ihre schmale Hand auf die Schulter.
»Rache ist keine Gerechtigkeit, Rimid. Wenn wir für jedes an uns begangene Übel Rache fordern wollten, würden wir uns nur
größerer Vergehen schuldig machen. Lass das Gericht Recht über ihn sprechen.«
Rimid zögerte.
»Er hat keine Mittel, um an die, denen er Schlimmes angetan hat, den Sühnepreis zu zahlen«, protestierte er.
Fidelma lächelte leise.
»Er hat eine Seele, Rimid. Er hat
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