Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
Vom Netzwerk:
Es steht schlecht
     um ihn, aber er wünscht dich zu sprechen.«
     
    Corcrain erwartete sie an Pater Patricks Tür.
    »Ich fürchte, er macht es nicht mehr lange. Kurz nachdem du gegangen warst, erlitt er den dritten Herzanfall, mit dem man
     rechnen musste. Er verlangt nach dir, will dich ohne Beisein eines anderen sehen. Ich warte draußen, falls ich gebraucht werde.«
    Der alte Mann lag im Bett, die Haut auf dem matten Gesicht zeigte einen bläulichen Schimmer. Die Lider flackerten unstet,
     und wieder diese farblosen, blassen Augen.
    »Du weißt es, meine Tochter, nicht wahr?«
    Sie beschloss, bei der Wahrheit zu bleiben.
    »Ich ahne es«, verbesserte sie.
    »Wie auch immer, ich muss mit Gott meinen Frieden schließen. Besser, du weißt die Wahrheit, als dass ich dahinscheide und
     die Erinnerung an mich von einem Verdacht beschattet wird.«
    Er machte ein lange Pause.
    |157| »Die Reliquie ist hier. Priester, die vor über zweihundertfünfzig Jahren vor König Iarmumas Kriegern flohen, brachten sie
     hierher und versteckten sie in einer Höhle. Seit Generationen weiß nur der jeweilige Priester der Insel um das Geheimnis und
     auch, um welche Höhle es sich handelt, und gibt sein Wissen schließlich an seinen Nachfolger weiter. Zuweilen geschah es,
     dass die Insel ohne Priester war, dann wurde ein Inselbewohner ins Vertrauen gezogen. So war gewährleistet, dass das sorgsam
     gehütete Geheimnis von Generation zu Generation überliefert wurde. Ich kam vor sechzig Jahren als junger Priester hierher
     und wurde von meinem Vorgänger, dessen Amt ich übernehmen sollte, eingeweiht.«
    Wieder musste er eine Pause machen, um mehrfach tief Atem zu schöpfen.
    »Dann tauchte Äbtissin Cuimne auf. Eine äußerst kluge Frau. Sie war auf Beweismaterial gestoßen. Sie ging zu Congal, um mit
     Hilfe der Legenden mehr zu erfahren; er kennt eine Menge, nur wo die Reliquie liegt, weiß er nicht. Er hat versucht, sie von
     weiteren Nachforschungen abzuhalten und ihr das meiste vorenthalten, was fast einer Lüge gleichkam. Dann suchte sie mich auf.
     Zu meinem Entsetzen hatte sie ein Stück Pergament mit verschiedenen Notizen, geschrieben von keinem geringeren als dem heiligen
     Patrick. Als Palladius starb, hatte der Papst ihn zu dessen Nachfolger ernannt und als Bischof zu den Iren geschickt. Das
     Pergament enthielt eine Landkarte mit eingezeichneten Hinweisen, die für einen Uneingeweihten nutzlos waren, aber für einen,
     der wusste, was er suchte, Aufschluss gaben über das Wo und Wohin.
    Äbtissin Cuimne hatte von allerlei Legenden gehört, fand in der berühmten Bibliothek von Ard Macha in einer alten Handschrift
     des heiligen Patrick das Schriftstück und reimte sich die Dinge klug zusammen.«
    |158| »Und du hast versucht, sie von weiteren Nachforschungen abzuhalten?«
    »Ich habe alles daran gesetzt, sie davon zu überzeugen, dass Legenden nicht unbedingt auf Wahrheit beruhen. Aber sie ließ
     sich nicht beirren.«
    »Und dann?«
    »Dann sprach ich mit ihr ganz offen. Ich beschwor sie, der Insel die Folgen zu ersparen, die eine Verlautbarung der Nachricht,
     dass hier das Reliquiar verborgen ist, nach sich ziehen würde. Ich wies sie auf die drohenden Gefahren für die Gemeinde hin.
     Ich wusste, was da auf uns zukommen würde. Du hast selbst Vorstellungskraft genug, Schwester Fidelma. Überleg mal, was bei
     einer Verbreitung einer solchen Nachricht aus dieser friedlichen kleinen Insel werden würde, aus dieser mit sich zufriedenen
     kleinen Gemeinde.«
    »Könnte man das Reliquiar nicht von der Insel schaffen? Zum Beispiel nach Cashel oder sogar nach Ard Macha?«
    »Damit würde die Insel des heiligen Schutzes verlustig gehen, den sie als Ruhestätte für die geheiligten Gebeine genießt.
     Nein. Die Reliquie wurde aus gutem Grund hierhergebracht, und hier muss sie auch bleiben.«
    Die letzten Sätze hatte der alte Priester mit aller Entschiedenheit gesprochen. Es hatte ihn Kraft gekostet, und er schwieg
     eine Weile.
    »Ich habe ihr auszumalen versucht, was für ein Unglück das wäre«, nahm er wieder das Wort. »Wir haben doch oft genug gesehen,
     wie es anderen Gemeinden ergangen ist, wenn bei ihnen unerwartet Reliquien ans Tageslicht befördert wurden oder man irgendwelche
     Wunder gesehen haben wollte. Riesige Abteien wurden gebaut und Schreine errichtet. Kleine Gemeinschaften gingen zugrunde.
     Kleine fromme Wallfahrtsorte wurden über Nacht zu auf Gewinn bedachten Unternehmen. |159| Zerstörung

Weitere Kostenlose Bücher