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Der falsche Apostel

Der falsche Apostel

Titel: Der falsche Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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schien eindeutig – alles, was Spelán vorbrachte, passte zueinander. Nur warum spürte sie, da war etwas
     falsch? Sie öffnete ihr
marsupium
und zog den Fetzen Stoff heraus, der an dem Gürtelhaken des jungen Sacán hängengeblieben war. Dass er aus irgendeinem Kleidungsstück
     herausgerissen war, lag auf der Hand, nur stammte er nicht von der Kutte des kleinen Mönchs. Und dann war da der hölzerne
     Becher, den sie im Bethaus aufgelesen hatte. Mittlerweile war er ausgetrocknet, doch zuvor musste jemand daraus ein Kräutergebräu
     getrunken haben.
    Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung zwischen den Felsen wahr. Sie drehte sich flugs um und blickte einen Moment in
     die dunklen Augen eines verschreckten Jungen, der die Kapuze seines Habits über den Kopf gezogen hatte. Im Nu war er zwischen
     den Felssäulen verschwunden.
    »Halt!«, rief Fidelma, sprang auf und stopfte hastig Becher und Tuchfetzen in ihr
marsupium
. »Bleib stehen, Bruder, ich tue dir nichts!«
    |245| Doch der junge Mönch rannte davon, und seine Spur verlor sich auf dem felsigen Grund. Verärgert entfuhr ihr ein Fluch. Sie
     wollte ihm hinterherjagen, aber da hörte sie ihren Namen. Schwester Sárnat kam angekeucht. »Bruder Spelán und Lorcán schicken
     mich. Lorcán bittet dich inständig, zurückzukommen, ein Sturm zieht herauf.«
    Fidelma hatte eine sarkastische Bemerkung über Lorcáns Befürchtungen auf der Zunge, doch Sárnat sprach bereits weiter. »Bruder
     Spelán ist auch dafür, dass wir die Insel sofort verlassen und die Geschehnisse dem Abt von Chléire melden. Der Bruder ist
     wiederhergestellt und nimmt die Dinge in die Hand. Ihm fiel ein, dass du ja hergekommen bist, um Abt Selbach ein Schreiben
     von Ultan zu überbringen. Da Selbach aber tot und er der
dominus
ist, erwartet er, dass du ihm das Schreiben gibst. Es könnte darin etwas stehen, das noch zu bedenken oder zu erledigen ist,
     bevor wir die Insel verlassen.«
    Fidelma vergaß, dass sie dem Jüngling hinterher wollte, und starrte Sárnat an. Die Novizin wartete schüchtern und wusste nicht,
     weshalb Fidelma sie so durchdringend anschaute. »Schwester …«, begann sie zaghaft.
    Unvermittelt ließ sich Fidelma auf den nächsten Stein fallen. »War ich ein Narr«, murmelte sie, griff in ihr
marsupium
und zog die Briefe heraus. Den an den Abt von Chléire schob sie zurück, aber Ultans Schreiben an Selbach riss sie vor den
     erstaunten Augen von Schwester Sárnat auf. Sie überflog den Brief, und grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen.
    »Geh schon vor, Schwester«, sagte sie, stand auf und stopfte den Brief in ihre Tasche. »Geh zurück zu Bruder Spelán. Sag ihm
     und Lorcán, ich komme gleich nach. Ich nehme an, wir können ablegen, noch ehe der Sturm losbricht.«
    Sárnat war nun vollends verunsichert. »Mach ich, Schwester. Aber warum kommst du nicht gleich mit?«
    |246| Fidelma lächelte. »Ich muss vorher noch mit jemandem reden.«
     
    Wenig später trat Fidelma in die Steinhütte, in der Spelán auf dem Bett saß. Lorcán und Maenach standen lässig neben ihm.
     Schwester Sárnat saß an der Wand auf einer Bank. Lorcán atmete erleichtert auf, als er Fidelma sah.
    »Bist du jetzt so weit, Schwester? Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.«
    »Ein paar Augenblicke noch, Lorcán«, sagte sie und lächelte gelöst.
    Spelán erhob sich von der Bettstatt. »Wir sollten unverzüglich ablegen, Schwester. Ich habe dem Abt von Chléire viel zu berichten.
     Außerdem …«
    »Du hast dir ein Loch in dein Habit gerissen. Wie ist das passiert, Spelán?«
    Fidelma stellte die Frage mit unschuldigem Augenaufschlag. Doch innerlich zitterte sie, ob ihr ins Dunkel abgeschossener Pfeil
     wirklich traf. Spelán schaute sie verblüfft an und blickte dann auf seine Kleidung. Es war deutlich, den Riss hatte er bislang
     nicht bemerkt. Jetzt erst sah er das ausgefranste Loch in seinem rechten Ärmel. Gleichgültig zuckte er mit den Schultern.
     »War mir noch gar nicht aufgefallen.«
    Fidelma nahm den Tuchfetzen aus ihrem
marsupium
und legte ihn auf den Tisch.
    »Was meinst du, Lorcán, passt der Flicken hier in den Riss?«
    Der Seemann zog die Brauen zusammen, nahm den Stoff und hielt ihn gegen Speláns Ärmel. »Passt genau, Schwester«, bestätigte
     er ungerührt.
    »Erinnerst du dich, wo ich ihn gefunden habe?«
    »Doch. Er war am Gürtel vom kleinen Sacán festgehakt.«
    |247| Aus Speláns Gesicht wich alle Farbe. »Der Ärmel muss sich da verfangen haben, als ich den

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