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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Merten
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aus einem langen Traum. Er verstand die Botschaft des Baumes nicht, doch etwas in der Stimme des Ahorns weckte eine Erinnerung. „Gehen? Wohin?“
    „Dein Platz ist nicht hier, Tischler. Die Prüfung erwartet dich. Geh, und suche den Weg. Sieh, schon beginnst du zu vergessen, wer du bist und woher du kommst.“
    Da endlich fiel es Kwin wieder ein und er erinnerte sich an alles, was er vergessen hatte. Mühsam stand er auf und klopfte sich Staub und Schmutz aus der Kleidung. „Erlaube mir noch eine Frage, bevor ich gehe“, bat Kwin.
    „Sprich“, sagte Eichenherz ruhig.
    „Zu welcher Rasse gehörtest du, bevor du Baum wurdest?“
    „Ich war ein Zwerg und lebte am Fuße der Rotfelsberge. Eichenherz war mein Name und Eichenherz heiße ich noch heute.“
    „Weshalb hast du dann den Silberahorn anstelle der Eiche ausgewählt.“
    „Das ist die zweite Frage, aber ich will nicht kleinlich sein. Ich war ein Zwerg und versessen auf leuchtende, wertvolle Metalle. Gold, vor allem aber Silber - da fiel die Wahl nach meinem Tod nicht schwer. Unter uns“, die Stimme des Silberahorns sank zu einem kaum wahrnehmbaren Flüstern, „ich finde Eichen schlicht zu protzig, um selber eine sein zu wollen.“
    Kwin lachte leise. „Ich danke dir, Eichenherz.“
    „Leb wohl, Baumfreund Kwin. Von nun an ist deine Sicherheit allzeit gefährdet. Nach deiner Rückkehr in deine Welt - und dass du zurückkehren wirst, daran habe ich keinen Zweifel -, wirst du einen Beschützer brauchen. Finde den jungen Elders. Er ist von Geburt an dir als Wächter zur Seite gestellt. Seine Vorfahren kamen aus Heetland. Obwohl unerfahren, war er doch die beste Wahl, um dich über all die Jahre hinweg zu beschützen. Er hat sein Leben bislang immer dem deinen untergeordnet, ohne zu wissen, dass er es tut. Er ist ein freudloser junger Mann. Berichte ihm, was du von mir erfahren hast. Das mag seinem bekümmerten Herzen Trost und vielleicht sogar ein wenig Frieden geben. Doch um ihn auf die Gefahren, die auf euch warten werden, vorzubereiten, musst du einen Weg finden, ihn zu Rodgatt zu bringen. Hast du das verstanden?“ Eichenherz Stimme klang eindringlich „Du wirst die Weissagung allein niemals bewältigen können. Der junge Magier muss ins Talikon kommen.
    Suche nach dem Weg des Gleichen Klangs. Dort erwartet den Auserwählten die letzte Prüfung. Ich wünsche dir alles Glück, Kwin Bohnthal. Ruhe nicht, bis deine Aufgabe hier vollendet ist.“
    Kwin verabschiedete sich vom Silberahorn und kehrte mit Twist zu seiner Lichtung zurück. Die ausgefüllten Tage, die er mit dem Ahorn hatte verbringen dürfen, hatten sein Leben übers Maß hinaus bereichert. Er war nun der Träger und einziger Bewahrer der letzten Geheimnisse der belebten Wälder. Kwin konnte es wenden wie er wollte - er hatte mehr erreicht, als er jemals hatte erhoffen dürfen. An ihm lag es nun, die Magie zu erhalten und mit ihr alles, was von Bedeutung war.
     
    Kwin war weit gewandert und spürte seine müden Füße. Zielstrebig eilte er weiter geradewegs nach Osten, zu jenem letzten Teil des Nachtwaldes, den er noch nicht erforscht hatte. Dort vermutete er den Weg des Gleichen Klangs, wo über seine Zukunft entschieden werden sollte.
    Unvermittelt blieb Kwin stehen und dachte angestrengt nach. Twist sah fragend zu ihm auf. Er erinnerte sich an Eichenherz, als dieser ihm zum ersten mal vom ‘Weg des Gleichen Klangs’ berichtet hatte. Kwin hatte sofort an das Zeitalter des Gleichklangs gedacht, so, wie Meister Borken es ihm seinerzeit geschildert hatte. Bilder alter Erzählungen waren ihm eingefallen, von Rodgatt und Nidar, die diese Epoche begründet hatten, von endlosen, unzähligen belebten Wäldern und Menschen, die um die besondere, einzigartige Verbindung zwischen sich selbst und den Bäumen und Pflanzen wussten. Aber was, wenn die Antwort auf den Ort dieses Weges offenkundig aus der Bezeichnung selbst sprach? Hatten nicht die Bäume jeden zweiten Satz mit Höre!, begonnen?
    Kwin setzte sich auf den weichen Waldboden. Twist, abgemagert aber wohlauf, ließ sich neben ihm nieder und legte seinen Kopf auf das ausgestreckte Bein des Tischlers.
    „Was haben sie nur mit dir gemacht?“, fragte Kwin leise. „Wir werden dieses Land bald verlassen. Dann wird alles wieder in Ordnung kommen. Ich verspreche es.“
    Kwin schloss die Augen und hielt den Atem an. Er lauschte und versank im Wispern und Rascheln der Waldgeräusche, die ihn tagtäglich umgaben und an die er sich längst gewöhnt

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