Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
sagte Alep an Wigget gewandt: „Verbrenne ein paar seiner Äste“, und wies mit einer Kopfbewegung auf die Eberesche.
„Mit Vergnügen“, sagte Wigget, flog auf und stieß einen langen dünnen Flammenstrahl aus, der einige der unteren Äste in Feuer aufgehen ließ. Die Flammen erstarben bald wieder. Zurück blieb verkohltes Holz. Nidar schrie schmerzerfüllt auf.
Alep hatte Rodgatt noch immer am Hals gepackt. „Für dich brauche ich nur meine Hände. Du bringst uns augenblicklich zum Tor. Los!“ Alep stieß Rodgatt von sich, dass der Alte auf den Boden schlug. „Steh auf“, befahl Alep, „und geh!“
Die Zeit der Unterweisung war vorbei. Rodgatt bemühte sich, seine Antworten an Alep so zu formulieren, dass der junge Magier sein Versprechen, ihm den Hals zu brechen, nicht doch noch wahr machen musste. Der alte Mann hing an seinem Leben, das hatte ihm schon die erste Begegnung mit Pretorius offenbart. Ob der Grund darin lag, dass er sein Lebenswerk vollendet sehen wollte, bevor er für immer ging, oder ob er einfach nicht loslassen konnte, was er einmal sein eigen nannte, vermochte er selbst nicht zu sagen. Doch alles, was er jemals geplant hatte, hatte aufgrund der jüngsten Ereignisse im Talikon keine Bedeutung mehr. Das Schicksal der Magie in beiden Welten, und der Fortbestand der alten Werte wurde nun von anderen Kräften bestimmt und ob sie diese unruhige Zeit überstehen würden, war mehr als fraglich. Mit der Ansammlung aller Magie in der Hand eines einzigen war das Ende der Werte, denen er sein Leben untergeordnet hatte, unausweichlich. Die Menschen würden ins Zeitalter der Barbarei zurückfallen, Ordnung und Sicherheit wären verloren und nur ein einziger würde die Geschicke der Welt lenken.
Als Rodgatt endete, blieb Alep unvermittelt stehen. „Ich verstehe deine Beweggründe, alter Mann, aber du hättest auf meine Warnung hören sollen und mich nicht hinters Licht führen dürfen.“
„Was wirst du nun tun?“, fragte Rodgatt.
„Ich weiß es nicht. Zuerst einmal werde ich in meine Welt zurückkehren. Dann sehen wir, Wigget und ich, weiter.“
Nach einer weiteren Stunde Fußmarsch erreichten sie den Ort, der die beiden Welten voneinander trennte. Alep hatte nichts bemerkt. Rodgatt aber blieb unvermittelt stehen und wartete.
„Was ist?“, fragte Alep.
„Hier ist der Durchgang zu deiner Welt“, erklärte Rodgatt.
Alep sah sich um. Die Gegend um ihn her schien ihm vertraut, ja, er erkannte sie als den Ort wieder, der gleich hinter dem Weltentor gelegen hatte, aber das Tor war verschwunden. Er sah Wigget hilfesuchend an. Der Drache bemerkte Aleps Blick und schüttelte nicht weniger hilflos den Kopf. Mit fragendem Blick wandte Alep sich an Rodgatt.
Der Alte lächelte betrübt. „So brauchst du meine Hilfe doch zum Schluss.“ Rodgatt wartete Aleps Erwiderung nicht ab, sondern wies auf die Stelle, an der vormals das Tor gestanden hatte. „Das ist das Werk des Magiers Pretorius. So stellt er sicher, dass niemand ohne sein Wissen das Talikon betreten oder verlassen kann. Aber das Weltentor ist nur mit einem Zauber verborgen. Die Passage liegt direkt vor dir. Unsichtbar zwar, aber vorhanden. Benutze deine Begabung, Magier.“
Alep nickte verstehend, überlegte kurz und sagte dann:
„Verborgen liegt durch Meisterhand
das Weltentor zum Heimatland.
Die Zauberei bringts doch ans Licht -
Der dunkle Zauberbann zerbricht.“
Allmählich erschienen die Konturen der Passage und verdrängten das Bild der dahinter liegenden Landschaft bis das Weltentor deutlich sichtbar vor ihnen lag.
Alep ging geradewegs darauf zu, dann kam ihm ein Gedanke und er drehte sich noch einmal zu Rodgatt um. „Dieser Ort, das Talikon, ist ein beschaulicher Ort. Ein Platz, an dem es sich gut leben lässt. Vielleicht komme ich zurück.“ Alep schaute sich ein letztes Mal um. „Aber eine Antwort steht noch aus, bevor ich jetzt zurückkehre: Was geschieht mit diesem Land, wenn wir untergehen?“
Ein unsicheres Lächeln erschien um den Mund des alten Mannes. „Das kann niemand sagen. Wenn es aber richtig ist, dass deine Welt nur ein Spiegelbild des Talikons ist, das Talikon also die erste, die wirkliche Welt ist, dann mag es geschehen, dass beide Welten vergehen.“ Rodgatt kam einige Schritte näher. „Oder aber, beide Welten vereinen sich wieder, verschmelzen zu dem, was sie von Anbeginn der Zeit waren. Niemand kennt die Antwort. Auch ich nicht.“
Rodgatts Blick wurde ernst. „Wenn du
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