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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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überprüfen, ob zusammen mit Michejew im Archangelsker Lager ›Narkose‹
     jemand gesessen hat, der in Fedotowka im Gebiet Moskau wohnt. Oder irgendwo in der Nähe.«
    »Meinen Sie nicht, Major, dass wir uns darum lieber später kümmern sollten?«, knurrte der Oberst.
    »Das eine ist dem anderen nicht im Weg«, entgegnete Sergej.
    Er verabschiedete sich von Raiski und versuchte sofort, Julia zu erreichen. Doch unter keiner Nummer ging sie ran.
    Es war viertel neun. Julia hatte gerade Schuras Schule erreicht. Wenn sie sich ans Steuer setzte, schaltete sie ihr Handy
     immer aus.
     
    Angela erwachte in einem halbdunklen Zimmer, erblickte zunächst ein dicht vergittertes Fenster, dann den toten Rachen eines
     Kamins und schließlich einen riesigen ovalen Spiegel mit breitem Rahmen. Der Spiegel stand auf dem Boden, auf krummen Flügelbeinen,
     und war so gedreht, dass er das ganze Zimmer zeigte, samt Angela, die unter einem karierten Plaid auf einem schwarzen Ledersofa
     lag.
    Der Verband war schmutzig und klebrig. Ohne noch irgendetwas zu begreifen, stand sie auf, ging zum Spiegel undwickelte den Verband ab. Im Spiegel sah sie ihr Gesicht – voller Narben, aufgedunsen und formlos, aber die Nähte waren unversehrt.
     Nichts blutete.
    »Es ist alles gut«, murmelte sie, »alles nicht so schlimm. Ich gebe Schamil die Karte, verrate ihm den blöden Pincode, und
     er wird mir verzeihen, wie ich ihm verziehen habe. Wir sind so gut wie quitt.«
    Sie schaute sich in die Augen und glaubte selbst nicht an ihre Worte. Das Stehen fiel ihr schwer, ihr knickten die Knie ein,
     sie ging zum Sofa zurück, legte sich hin und verkroch sich unter der Decke. Sie hatte Schüttelfrost und großen Durst. Im Haus
     war es still. Durch das vergitterte Fenster drang fröhliches Vogelgezwitscher. Es war natürlich gar kein Gitter, es waren
     Fensterläden. Angela entschied, noch ein wenig liegen zu bleiben, dann wollte sie zur Tür gehen, klopfen und um etwas zu trinken
     bitten. Sie wälzte sich herum, um eine bequeme Lage zu finden, und etwas Hartes bohrte sich in ihre Seite. Unter der Strickjacke
     trug sie eine dicke Schlafanzugjacke mit zwei tiefen Taschen. In einer davon lag noch immer das winzige silberne Motorola-Handy,
     von dem sie sich auf Schamils Geheiß nie trennte.
     
    Es war neun Uhr morgens, Beginn der Sprechstunde. Es wurde sofort abgenommen.
    »Julia, ich bins.«
    »Angela? Wo bist du?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, außerhalb der Stadt. In einem Haus.«
    »Was ist mit deinem Gesicht?«
    »Anscheinend alles in Ordnung. Es brennt ein bisschen, vom Chloroform.«
    »Wann bist du zu dir gekommen?«
    »Vor zehn Minuten.«
    »Sieh dir deine Armbeugen an. Sind da Spuren von Injektionen?«
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Eine Menge Kratzer, aber nur ein Einstich.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Ich hab Durst, mein Körper ist wie Watte, und meine Ohren klingen.«
    »Das geht bald vorbei. Bleib ganz ruhig liegen. Pass auf dein Gesicht auf. Und versuch vor allem, Zeit zu gewinnen.«
    Lautlos wurde die Tür geöffnet. Angela zuckte zusammen und konnte gerade noch das Gespräch abbrechen und das Handy zuklappen.
     Ein älterer Kaukasier kam ins Zimmer gestürmt und entriss ihr das Telefon.
    »Wen hast du angerufen?«, schnauzte er und holte aus, schlug jedoch nicht zu.
    »Schamil«, flüsterte Angela und presste sich gegen die Sofalehne. »Bring mir was zu trinken.«
    Der Kaukasier klappte das Handy auf und überprüfte die zuletzt gewählte Nummer. Ohne ein Wort zu sagen, rannte er mit dem
     Telefon in der Hand hinaus. Die Tür schlug zu, und Angela hörte den heiseren Schrei: »Warum habt ihr sie nicht durchsucht,
     verdammt?«
    »Wir sollten sie nicht anrühren, bis Schamil kommt!«, antwortete eine hohe Männerstimme.
     
    Oberst Raiski trank literweise Kaffee und hatte ständig eine Zigarette im Mund. In den letzten vierundzwanzig Stunden war
     er noch dünner und sein Gesicht ganz grau geworden. Beim Taxiunternehmen »Moskauer Kutscher« kannte man natürlich keinen Mann
     namens Djubel. Der hellblaue Shiguli mit der bewussten Nummer war seit zwei Jahren als gestohlen gemeldet.
    Ein Verkehrsposten an der Nahtstelle zwischen Minsker und Moshaisker Chaussee wollte einen solchen Wagen gesehen haben. Gegen
     fünf Uhr früh. Außer dem Fahrer hätten hinten zwei weitere Personen gesessen. Die Nummer hatte er sich natürlich nicht gemerkt,
     da er keinerlei diesbezügliche Anweisungen erhalten hatte.
    Angelas Anruf bei Julia machte

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