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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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großen, trockenen Hände. Den General ärgerte diese unangebrachte Munterkeit, er wünschte
     sich für die Untersuchung des Attentats auf seinen Sohn ernsthaftere Männer. Gott sei Dank hatte er noch gute Beziehungen
     zu seiner alten Dienststelle. Er hielt es nicht für nötig, Tschishow mitzuteilen, dass Stas im Fitnesscenter war.
    Während ihres Gesprächs erlitt Gerassimows Frau einen heftigen Asthmaanfall.
    Gerassimow musste den Notarzt rufen. Natalja weigerte sich, ins Krankenhaus zu fahren. Der Arzt stoppte den Anfall und verordnete
     ihr Ruhe und die Vermeidung jeglicher Aufregung.
    »Stas, mein Kind, mein Junge, was ist bloß los?«, flüsterte Natalja, die am Tropf hing, immer wieder. Über ihre runden Wangen
     rollten Tränen.
    »Hör auf!«, rief Wladimir unbeherrscht. »Dein Kind ist sechsunddreißig! Du bist selber an allem schuld! Hast dein Söhnchen
     verwöhnt bis zum Gehtnichtmehr!«
    Natalja weinte noch bitterlicher und schnappte keuchend nach Luft. Tschishow besaß die Unverschämtheit, hereinzuschauen und
     mit seinem widerwärtigen Lächeln zu sagen: »Ich bitte um Entschuldigung, Genosse General, aberdas sollten Sie nicht tun, es geht ihr schlecht, sie ist immerhin die Mutter.«
    »Ich halte Sie nicht auf!«, schnauzte Gerassimow, knallte ihm die Tür vor der Nase zu, setzte sich zu seiner Frau aufs Bett
     und zwang sich, ihr übers Haar zu streicheln.
    Ihr Haar war längst grau, doch sie färbte es trotzig mit einer Mischung aus rotem und schwarzem Henna. Das ergab ein hässliches,
     unechtes Kastanienbraun. Durch die dünnen, eingedrehten Strähnen schimmerte die Kopfhaut. Früher war ihm das nicht aufgefallen.
    »Geh, Wladimir, geh. Bring den Mann zur Tür«, murmelte sie mit geschlossenen Augen und gequältem Lächeln.
    Mein Gott, warum sehe ich das alles auf einmal – die kurzen, schütteren Augenbrauen, die tiefen Falten, die braunen Altersflecke
     und die vor diesem traurigen Hintergrund unnatürlich leuchtenden künstlichen Zähne? Warum gerade jetzt? Warum so klar, so
     schonungslos, dachte der General, erhob sich schwerfällig und ging in den Flur, Tschishow verabschieden.
    Der fröhliche Untersuchungsführer stellte die Latschen ordentlich ins Schuhregal, hockte sich hin und schnürte seine Schuhe
     zu. Gerassimow lehnte am Türrahmen und beobachtete ihn schweigend.
    »Sie wissen also nicht, wo sich Stanislaw aufhalten könnte?« Tschishow sah mit blanken braunen Augen zum General hoch. Der
     schüttelte den Kopf. »Das ist schlecht«, seufzte Tschishow und richtete sich auf. »Sehr schlecht, Genosse General. Die Zeit
     läuft, und wir haben noch keinerlei Informationen.« Er zog seine billige, abgeschabte Lederjacke an und streckte dem General
     die Hand hin. »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Die Umstände sind natürlich nicht gerade angenehm, aber trotzdem. Wir
     werden tun, was wir können.«
    Der General erwiderte den Händedruck schlaff und registriertegereizt und neidisch, wie trocken und warm die Hand dieses fröhlichen Burschen war, der vor Gesundheit strotzte, rotwangig
     und lebenslustig aussah. Zu lebenslustig für einen Untersuchungsführer des FSB.
    Die Tür klappte zu. Gerassimow schaute ins Schlafzimmer. Natalja schlief, mit offenem Mund und schnarchend wie ein alter Mann.
     Er verkroch sich in sein Arbeitszimmer, blätterte nachdenklich in seinem Adressbuch und überlegte, welchen seiner alten Bekannten
     er um Hilfe bitten sollte. Es waren etliche Generale darunter, in seinem Alter oder zehn Jahre jünger. Aber er wusste, dass
     sie die Sache lediglich an ihre Untergebenen weiterleiten würden, und dann müsste er ständig anrufen, dranbleiben, die Untersuchung
     kontrollieren. Von den Obersten arbeitete der eine in der Auslandsabeilung, der zweite befasste sich mit Drogen, der dritte
     kontrollierte den Zoll, an den vierten mochte er sich nicht wenden, weil der ein hinterhältiger Karrierist war, der fünfte
     …
    Vor seinen Augen flammte ein flackernder greller Schleier auf. Wieder fiel er für einige Minuten aus der Realität und weilte
     im Ungewissen. Diese urplötzlichen Zeitreisen erschreckten ihn immer mehr.
    »Wladimir!« Die Stimme seiner Frau klang schwach, weit weg, wie von einem anderen Stern. Er ging ins Schlafzimmer. Natalja
     starrte mit weit offenen, entzündeten Augen an die Decke. »Sag mir, warum hat er in Konkowo übernachtet?«
    »Dort wohnt Galina.« Der General zuckte die Achseln. »Erinnerst du dich an sie? Die Enkelin der seligen

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