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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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das und fuhr fort: »In gewissem Sinne freut es mich sogar, dass Sie sich so natürlich benehmen, so kindlich,
     und besonders froh bin ich, dass Sie sich mit Julia so gut verstehen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«, knurrte Sergej verlegen.
    »Nun tun Sie nicht so.« Raiski lächelte widerwärtig und zwinkerte ihm sogar zu. »Die Gegenwart einer schönen Frau tut immer
     gut. Dass Sie sich für sie interessieren,bedeutet, dass Sie auf dem Weg der Genesung sind. Ich brauche Sie gesund, Major. Gesund und stark.«
    »Wozu?«
    »Tja, ich kann mir vorstellen, wie lange Sie mich das schon fragen wollen und noch vieles andere«, sagte Raiski nachdenklich
     und erkundigte sich nach kurzem Schweigen in ganz anderem Ton, heiser und scharf: »Sind Sie bereit für ein Gespräch, Major?«
    Darin lag etwas Theatralisches, Inszeniertes. Der Oberst kokettierte, spreizte sich vor einem Mann, der vollkommen von ihm
     abhängig war. Doch außer seiner Abhängigkeit wollte er auch noch seine Sympathie.
    Sergej wollte nicht mitspielen. Er schwieg, nickte nur kurz.
    »Sie interessiert vor allem, warum ich Ihr Äußeres verändern ließ, ohne Sie vorzuwarnen, Sie zu informieren, nicht wahr?«
    »Das wüsste ich schon gern.«
    »Können Sie sich das nicht selbst denken? Reden Sie ruhig frei heraus, ich bin nicht beleidigt.«
    »Sie wollen mich in irgendeinem Spiel benutzen, und dafür brauchen Sie die absolute, totale Macht über mich. Sie wollten mir
     zeigen, dass ich nicht mehr existiere, dass es nur noch Ihren Willen gibt, dem ich mich blind unterordnen muss.«
    »Oje-oje.« Raiski schüttelte tadelnd den Kopf. »Das klingt ja wie ein Zitat aus einem schlechten Agententhriller. Absolute
     Macht … Wie kommen Sie auf so was, Major? Sie sollten die Dinge einfacher sehen und besser von den Menschen denken.«
    »Dann bin ich eben dümmer, als Sie annehmen.« Sergej zuckte die Achseln. »Ich höre mir gern an, was Sie zu sagen haben.«
    Raiski holte Zigaretten hervor und bot auch Sergej einean. Sie rauchten beide. Der Oberst stand auf und ging in tiefer Nachdenklichkeit durchs Zimmer, bis er endlich anfing zu reden,
     halblaut und bedächtig, als denke er nur laut.
    »Sie haben nur durch Zufall überlebt, Major Loginow. Ich liebe den Zufall. Ich vertraue ihm. Zufall hat etwas Göttliches,
     wissen Sie. Für Ihre Zukunft gibt es zwei mögliche Varianten. Die erste: Nachdem wir Sie aufgelesen und zusammengeflickt haben,
     übergeben wir Sie reinen Gewissens Ihren Vorgesetzten. Das Ganze ist schließlich nicht unser Problem, sollen die sich damit
     befassen, nicht wahr? Doch da erhebt sich die Frage: Werden die irgendwas klären wollen? Das Scheitern einer hochgeheimen
     Operation einer Elitetruppe ist schließlich eine ungeheure Schande! Erinnern Sie sich an die Umstände, unter denen Sie in
     Gefangenschaft gerieten. Was meinen Sie, war Ismailow gewarnt worden?«
    »Möglich.« Sergej nickte unschlüssig.
    »Er war auf die Begegnung bestens vorbereitet«, fuhr Raiski mit traurigem Spott fort. »Der von Ihnen geleitete Angriffstrupp
     wurde von den anderen abgeschnitten. Die Rebellen waren zwanzigmal zahlreicher, als Sie erwartet hatten. Warum, was meinen
     Sie? Und wie konnten sie den Hubschrauber mit Ihrem Sicherungstrupp in die Luft jagen? Hat Allah Ismailow eingegeben, sofort
     vierhundert zusätzliche Männer im Dorf zu stationieren? Das glaube ich nicht. Was meinen Sie, an welchem Punkt kann die Information
     durchgesickert sein? Über abgehörten Funkverkehr? Ausgeschlossen. Ihr Trupp war mit der neuesten Nachrichtentechnik ausgerüstet,
     dafür gibt es bislang keine Abhörmöglichkeit. Schön, reden wir nicht länger drum herum: Nur jemand aus Ihrem Stab kann Ismailow
     gewarnt haben. Was folgt daraus für Sie persönlich, Major? Richtig. Dieser Mann wird alles tun, damit Sie ohne lange Untersuchung
     vor Gericht gestellt werden. Sie haben die schändlichgescheiterte Operation als Einziger überlebt. Aber Sie sind auf die Seite der Rebellen übergelaufen, das ist dokumentarisch
     belegt. Und den Aussagen eines Verräters kann man nicht trauen. Vermutlich wird es gar keinen Gerichtsprozess geben. Man wird
     Sie einfach still und ohne Spuren liquidieren. Ist das nicht ärgerlich? Immerhin haben wir Sie aus dem Jenseits zurückgeholt,
     Sie wieder auf die Beine gestellt.«
    »Vielen Dank.« Sergej drückte seine Zigarette aus, stand auf, ging zu dem hohen Fenster, stellte sich auf Zehenspitzen und
     öffnete es.
    »Gern geschehen!«

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