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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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jedes Mal verschwindet er mühelos. Man sucht ihn in Tschetschenien, und er fährt seelenruhig in schicken Autos durch
     Moskau und sitzt in den teuersten Restaurants. Man jagt ihn in Moskau, und er sonnt sich auf Zypern. Dutzende Agenten stellen
     ihm in Zusammenarbeit mit Interpol und der örtlichen Polizei Fallen im Ausland, auf Flughäfen, und er ist schon wieder in
     Grosny und unauffindbar. Es heißt von ihm, er habe neun Leben, wie eine Katze. Aber in Wirklichkeit ist die Sache ganz einfach.
     Ismailow hat seine Leute in den Sicherheitsstrukturen, und zwar ganz oben. Mehr noch, er hat gewichtigesBelastungsmaterial gegen seine geheimen Verbündeten, und die wissen, dass dieses im Falle seines Todes publik werden würde.
     Ich möchte diese Eiterbeule öffnen. Ich brauche ihn lebend, ich will, dass er aussagt. Seine Jagd auf Stanislaw ist eine Chance.«
    »Jagd?«, fragte Sergej leise. »Wieso hat Ismailow ihn bislang nicht töten können? Wird er so gut bewacht?«
    »Nein, das nicht. Das hier ist eine ganz besondere Situation. Ismailows einziges und wichtigstes Motiv ist persönliche Rache.
     Stanislaw wollte etwas von seiner Geliebten, hat aber einen Korb bekommen und daraufhin das Gerücht verbreitet, sie sei hinter
     ihm her gewesen. Ismailow mit seinem wilden orientalischen Temperament hat das Mädchen brutal verprügelt, ihr das Gesicht
     zertrümmert und dann erfahren, dass sie ihm treu war, dass Stanislaw sie zu Unrecht verleumdet hat.«
    »Ein ziemlich mieser Typ, Ihr Stanislaw Gerassimow«, murmelte Sergej.
    »Ja.« Raiski nickte. »Das findet unser Freund Ismailow auch. Es gab einen missglückten Mordanschlag, danach ein paar Dinge
     ganz anderer Art. Er spielt mit seinem Opfer, reizt es, will es irre machen. Früher oder später wird er sich an den Früchten
     seiner Bemühungen delektieren wollen und sich Stanislaw mit eigenen Augen ansehen. Doch anstelle des schwachen, hilflosen,
     gebrochenen Mannes wird er Sie antreffen.«
    »Und wenn er das nicht will?«
    »Dann werden wir versuchen, diesen Wunsch in ihm zu wecken.« Raiski nahm die Brille ab und zwinkerte Sergej zu. »Er mag theatralische
     Effekte. Wenn er Stanislaw einfach töten wollte, hätte er es längst getan. Aber er hat offensichtlich etwas anderes vor. Wissen
     Sie, einer Theorie zufolge spüren Serienmörder, wenn sie ein bestimmtes Programm erfüllt haben, dass sie aufhören müssen.
     Aber sieschaffen es nicht selbst und trachten deshalb unbewusst danach, in die Falle zu gehen.«
    »Ja, das habe ich irgendwo gelesen. Aber ich glaube das nicht. Außerdem ist Ismailow kein Psychopath, sondern ein Terrorist«,
     entgegnete Sergej.
    »Das ist kein großer Unterschied.« Raiski lächelte fein. »Hauptsache, Ismailow gibt Ihnen die Chance, die Operation zu vollenden,
     die nicht durch Ihre Schuld gescheitert ist. Sie werden ihn lebend fassen. Wir haben noch eine Menge Details zu besprechen,
     aber dafür ist noch genug Zeit. Ihr Gesicht ist frühestens in ein paar Wochen verheilt. Ich gehe selbstverständlich davon
     aus, dass dieses Gespräch unter uns bleibt.«
    »Selbstverständlich.«

Einundzwanzigstes Kapitel
    Punkt zwölf Uhr mittags zerriss Motorengeknatter die Stille eines kleinen Bergdorfes auf Korfu. Das Motorrad hielt auf dem
     winzigen Parkplatz unter einem verdorrten alten Olivenbaum. Ein Mann Mitte dreißig, nicht sehr groß, kräftig und bis auf die
     schmuddeligen weißen Shorts nackt, nahm den Helm ab, ging in das Café, setzte sich an einen Tisch auf der schmalen Terrasse
     und zündete sich eine Zigarette an.
    Der alte Spiros, der Inhaber des Cafés, begrüßte ihn auf Englisch und legte ihm die Speisekarte hin, obwohl er wusste, dass
     der Gast sie nicht aufschlagen, sondern achtlos mit dem Ellbogen beiseite schieben, dann langsam den Kopf heben, ihn mit seinen
     trüben hellgrauen Augen ansehen und mit hartem, unangenehmem Akzent sagen würde: »Einen doppelten Metaxa und ein Glas stilles
     Wasser.«
    Spiros nahm die dürftige Bestellung auf, entfernte sich in die Küche, bekreuzigte sich dreimal und schwor vor demAngesicht seines Schutzheiligen, des heiligen Spiridon, wenn der nackte Mann mit den toten Augen morgen wieder die Schwelle
     seines stillen Etablissements betreten sollte, würde er dem Kerl die Tür vor der sich pellenden Nase zuschlagen und das Schild
     »Geschlossen« aufhängen. Mochte die alte Jephimia knurren, so viel sie wollte. Einen solchen Gast zu verlieren war kein großes
     Unglück. Er kam

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