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Der falsche Engel

Der falsche Engel

Titel: Der falsche Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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dass alle bereits schliefen. Aber sie warteten. Er hielt es nicht aus mit den Eltern in der Villa. Er mochte seinen Vater
     nicht ansehen, ja, nicht einmal mit ihm zusammensein. Er strömte neuerdings einen merkwürdigen Geruch aus, irgendwie beunruhigend
     und ungesund, einen Geruch, den selbst der unsensible Stas wahrnahm.
    Die Mutter jammerte, belästigte ihn mit Gesprächen, die Angestellten sahen ihn an wie einen Aussätzigen.
    In dem winzigen Städtchen in der Nähe der Villa gab es einen Autoverleih. Vor zwei Tagen hatte Stas dort angehalten, um Geld
     zu wechseln. Hinter dem mit bunten Katalogen mit Autofotos und Preisen übersäten Tisch saß eine vollbusige Frau in einem weißen
     T-Shirt. In dem Gesicht mit den breiten Wangenknochen leuchteten blaue skandinavische Augen. Das kurze Haar war flachsblond
     ausgebleicht. Ein großer, beweglicher Mund, volle, weiche Lippen. Sie war nicht schön, breit und derb, aber prall und glänzend
     dunkelrosa. Unter dem dünnen T-Shirt führte die üppige, feste Brust ein freies Eigenleben ohne BH.
    Stas bekam einen trockenen Mund. Seine Augen strahlten schmachtend, seine Stimme wurde voll und samtig.
    Zehn Minuten später wusste er, dass sie aus Schweden kam, Matilda hieß, vierundzwanzig war, im Winter an der Stockholmer Uni
     studierte und schon den dritten Sommer zum Geldverdienen herkam. Sie habe immer davon geträumt, mal einen echten russischen
     »Mushik« kennenzulernen. Sie schließe ihren Laden um neun, und außer einer Diskothek für Schwule und Lesben im Nachbarstädtchen
     gebe es hier keinerlei Unterhaltung. Sie liebe Hummer und gegrillte Königsgarnelen, aber das sei für sie zu teuer, und ja,
     sie würde gern heute Abend mit ihm in einem Fischrestaurant essen.
    Punkt neun ließ sich Matildas kräftiger Leib auf seinem Motorradsitz nieder, starke, mit pfirsichfarbenem Flaum bedeckte Hände
     legten sich um seine Taille, und ihre feste Brust schmiegte sich an seinen Rücken.
    Im Restaurant bewältigten sie eilig einen riesigen Hummer. Stas zahlte, umarmte Matilda und flüsterte ihr ins Ohr: »Jetzt
     fahren wir zu dir.«
    »Nein, lieber zu dir«, widersprach Matilda.
    »Ich habe Familie«, seufzte er. Und ergänzte sicherheitshalber rasch: Seine Eltern seien sehr »old fashioned«.
    Sie wohnte in einem billigen Appartement gleich um die Ecke. In ihrem winzigen Zimmerchen bot sie Stas einen Joint an. Am
     Morgen, nach kurzem, unruhigem Schlaf, sagte sie, sie müsse jetzt ins Büro, aber er könne ruhig bleiben, ausschlafen und auf
     sie warten.
    Stas blieb lange im Bett, aß dann in einem Café und ging hinunter zum Strand. Am Abend holte er Matilda mit dem Motorrad ab,
     sie aßen wieder zusammen, rauchten Marihuana, und gegen Morgen bot sie ihm eine Ecstasy-Pille an, zum Regenerieren seiner
     Kräfte.
    Am Morgen weckte sie ihn ziemlich grob und erklärte,der Inhaber der Autovermietung sei aus der Stadt zurück, ihr fester Freund, und Stas müsse sofort verschwinden. Sie trennten
     sich äußerst kühl.
    Stas fuhr wieder auf der Insel herum. Es widerstrebte ihm sehr, in die Villa seiner Eltern zurückzukehren. Er war lange weg
     gewesen und hatte nicht angerufen, ihm stand also eine unangenehme Auseinandersetzung bevor. Dazu hatte er keine Kraft, und
     er beschloss, für ein paar Tage ein Zimmer in einem stillen Bergdorf zu mieten.
    Er hatte seine gewohnte Route, und jedesmal trank er im Café »Bei Spiros« Wasser und Metaxa.
     
    Ein Polizeioffizier berührte seine Schulter, und Stas musste die Augen öffnen und Fragen beantworten. Richtig zu sich kam
     er bei der Frage: »Haben Sie irgendwelche Drogen genommen, Sir?«
    »Nein, natürlich nicht«, antwortete Stas ein wenig zu rasch und bemerkte die unangenehme Spannung in den Augen des Offiziers.
    »Ich fürchte, Sie werden sich einem Drogentest unterziehen müssen, andernfalls können wir Ihre Anzeige nicht aufnehmen.«
    Da traf zum Glück Nikolai mit seinem kleinen weißen Peugeot ein. Er sprach ausgezeichnet Englisch, erfasste rasch die Situation
     und übernahm das Gespräch mit der Polizei. Nach einer Stunde fuhr der weiße Peugeot wieder ab. Auf dem Rücksitz saß Stas,
     schlaff und gleichgültig wie eine Stoffpuppe.
     
    Der riesige silbergraue Tankwagen hielt am Ortsrand von Kerkura, an einer Tankstelle in der Nähe eines leeren wilden Strandes.
    Aus der Kabine stieg ein kräftiger bärtiger Mann, streckte sich mit knackenden Gelenken, ging um den LKW herum,öffnete die Beifahrertür und reichte

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