Der falsche Freund
es lächerlich war, aber um acht war ich wieder da, diesmal mit einer Zeitung bewaffnet. Ich bestellte einen Milchkaffee und eine Brioche und bezog wieder an dem Tisch in der Ecke Stellung, damit Brendan mich nicht gleich sah, wenn er hereinkam. Diesmal arbeiteten hinter der Theke zwei Frauen mittleren Alters, und in der Küche werkelte ein Mann.
Ich blieb anderthalb Stunden und bestellte zwei weitere Tassen Kaffee, dann ging ich erschöpft und nervös von dem vielen Koffein nach draußen und setzte mich in den Lieferwagen. Ich rief Bill an und informierte ihn, dass ich ein paar Tage nicht zur Arbeit kommen würde. Anschließend hinterließ ich eine Nachricht auf Dons Anrufbeantworter, in der ich mich für mein Nichterscheinen entschuldigte und versprach, bald wiederzukommen. Wann genau das sein würde, sagte ich nicht, weil ich es selbst noch nicht wusste und außerdem nicht über die Aussichtslosigkeit meines Unterfangens nachdenken wollte.
London war eine riesige Stadt, in der es von Menschen nur so wimmelte. Wer sich dort verstecken wollte, wurde unter Umständen nie gefunden. Vielleicht war Brendan nur zufällig vorbeigekommen und würde nie wieder in dem Café auftauchen, während ich hier in einer Ecke saß, verschanzt hinter einer Zeitung, und mit wild klopfendem Herzen auf etwas wartete, das nie eintreten würde. Genauso gut konnte er aber direkt gegenüber an einem Fenster im ersten Stock sitzen und auf die Straße herunterblicken. Oder er kam gerade den Gehsteig entlang, und wenn ich mich nicht beeilte, würde ich ihn verpassen. Vielleicht wurde ich auch langsam verrückt: Wieso sonst saß ich in gebückter Haltung in einem Lokal, versteckte mich in meinem Lieferwagen und wanderte durch die Straßen eines Stadtviertels, das kilometerweit von meiner Wohnung entfernt war?
Ich ging in den Kerzenladen und verbrachte eine ganze Weile damit, mir eine Glasschale und ein paar wie Seerosen aussehende Schwimmkerzen auszusuchen, während ich zwischendrin immer mal wieder auf die Straße spähte. Danach besorgte ich mir beim Bäcker nebenan einen Laib dunkles Sauerteigbrot, das so teuer war, dass ich mich einen Moment lang fragte, ob beim Preis vielleicht das Komma um eine Stelle verrutscht war. Anschließend schlenderte ich ganz langsam die Straße auf und ab. Im Schaufenster einer Buchhandlung entdeckte ich einen Band über Fußmärsche in und um London.
Ich ging hinein und kaufte es. Dann stöberte ich in einem Eisenwarenladen herum, bis mich die vorwurfsvollen Blicke des Mannes hinter dem Verkaufstresen wieder hinaustrieben. In einem Schreibwarengeschäft erstand ich einen linierten Notizblock und einen Stift, außerdem ein paar Bonbons, damit ich etwas zu lutschen hatte, während ich weiter Wache hielt.
Schließlich kehrte ich wieder ins Crabtrees zurück, das sich langsam zu füllen begann.
Inzwischen waren auch ein paar Kellner eingetroffen, die aussahen wie Studenten, ebenso die hübsche junge Frau vom Abend zuvor. Obwohl gerade großer Mittagsandrang war und sie einen gehetzten Eindruck machte, schien sie mich wiederzuerkennen, denn sie nickte mir kurz zu, als ich eine Bohnensuppe und ein Glas Mineralwasser bestellte. Ich zog mich in meinen Winkel zurück und blätterte das Buch mit den Fußmärschen durch, während ich ganz langsam meine Suppe löffelte. Als ich fertig war, holte ich mir noch eine Tasse Tee.
Jedes Mal, wenn die Tür aufging, beugte ich mich zum Boden hinunter, als müsste ich meine Schnürsenkel binden, und spähte dann vorsichtig hoch, um zu sehen, wer hereinkam. Um kurz nach zwei begann ich noch einmal ziellos die Straßen auf und ab zu trotten, obwohl mir schon die Füße wehtaten und ich furchtbar genervt war, weil ich mir der Aussichtslosigkeit meines Unterfangens immer mehr bewusst wurde. Ich sagte mir, dass ich ausharren würde, bis das Café schloss. Falls sich bis dahin nichts getan hatte, wollte ich die ganze Aktion abbrechen.
Als ich gegen halb fünf ins Café zurückkehrte, wirkte die junge Frau ein wenig überrascht, mich schon wieder zu sehen.
Ich ließ mir eine Kanne Tee bringen und dazu ein Stück Zitronenkuchen.
Um sieben bestellte ich Gemüselasagne und einen grünen Salat, doch nachdem ich ein paar Minuten lustlos darin herumgestochert hatte, beschloss ich zu gehen. Ich holte den Lieferwagen und parkte ihn mit Blick auf das Café, um im Dämmerlicht zu warten, bis sie dichtmachten. Eine Weile saß ich einfach nur so da und starrte auf die Silhouetten der Gebäude
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