Der falsche Freund
haben.«
»Danke.«
»Aber rufen Sie mich nicht mehr an.«
Ich legte auf. Das war nicht besonders gut gelaufen.
35. KAPITEL
Warum klingeln Telefone eigentlich immer, wenn man gerade in der Wanne liegt? Ich beschloss, nicht ranzugehen, aber es läutete derart hartnäckig weiter, dass ich mich schließlich doch in ein Handtuch wickelte und ins Wohnzimmer hastete. Als ich die Hand nach dem Hörer ausstreckte, hörte es zu läuten auf.
Fluchend kehrte ich ins Bad zurück. Kaum hatte ich mich wieder in das wohlig warme Wasser gleiten lassen, begann das Telefon erneut zu klingeln. Diesmal war ich schneller.
»Hallo?«
In der kurzen Pause, die nun folgte, wusste ich mit einem Mal ganz genau, wer am anderen Ende der Leitung war. Ich verzog das Gesicht und wickelte mich noch fester in mein Handtuch.
»Mirrie?«
Allein schon der Klang seiner Stimme, die Art, wie er dieses Wort aussprach, verursachte mir wieder das vertraute Gefühl von Ekel und Beklemmung. Es war, als wäre die Luft im Raum plötzlich stickig und schmutzig, sodass ich kaum noch atmen konnte. Innerhalb von Sekunden trat mir der Schweiß auf die Stirn. Ich wischte ihn mit einem Zipfel meines Handtuchs weg.
»Ja.«
»Ich bin’s.«
»Was willst du?«
»Was ich will?«
»Hör zu …«
»Es geht doch wohl eher um das, was du willst.«
»Nein, ich …«
»Beziehungsweise, was du für mich hast.«
Ich umklammerte den Hörer und schwieg.
»Rob hat mich gerade angerufen«, fuhr er fort. »Wie ich höre, suchst du nach mir.«
Aus meiner Kehle drang eine Art Stöhnen.
»Du willst mich sehen.«
»Nein.«
»Rob hat gesagt, du willst mir etwas geben. Etwas, das ich irgendwo zurückgelassen habe. Ich frage mich, was das sein könnte.«
»Nichts Wichtiges.«
»Es muss wichtig sein, wenn du dir deswegen solche Umstände machst, Hmm, Mirrie?«
»Ein Buch«, stammelte ich lahm.
»Ein Buch? Was für ein Buch denn?« Als ich ihm keine Antwort gab, fuhr er fort: »Könnte es vielleicht sein, dass das Buch nur ein Vorwand ist? Du kannst einfach nicht loslassen, stimmt’s?«
Einen Moment verschwamm alles vor meinen Augen.
»Hör mit dem Scheiß auf«, sagte ich dann. »Ich bin’s, Miranda. Sonst kann uns niemand hören. Du weißt, was ich über dich weiß. Du weißt es, und ich weiß, dass du es weißt, und jeden Tag denke ich daran, was du Troy und Laura und Kerry angetan hast, und wenn du glaubst …«
»Schhh!«, sagte er in beschwichtigendem Ton. »Du brauchst Hilfe. Rob ist auch dieser Meinung. Er macht sich deinetwegen große Sorgen. Seiner Meinung nach gibt es einen Namen für das, was du hast. Für dein Syndrom.«
»Syndrom?
Syndrom?
Ich möchte dir bloß dieses
gottverdammte Buch schicken.«
»Das Buch. Natürlich. Das Buch, an dessen Titel du dich nicht erinnern kannst.«
»Du gibst mir jetzt deine Adresse, und dann will ich nie wieder was von dir hören!«
»Das glaube ich nicht.« Ich wusste genau, wie er jetzt lächelte.
»Lieber Himmel!« Am liebsten hätte ich vor Wut laut aufgeheult. »Hör zu …«
Aber die Leitung war bereits tot, Brendan hatte aufgelegt. Ich starrte einen Moment lang benommen auf den Hörer in meiner Hand, dann knallte ich ihn entnervt auf das Basisteil.
Ich kehrte in das lauwarme Wasser zurück, ließ heißes nachlaufen, hielt mir die Nase zu und tauchte unter. Ich hatte das Gefühl, vor Wut gleich zu platzen.
Als ich wieder auftauchte, um Luft zu holen, kam mir plötzlich ein Gedanke, der mich aus dem Bad springen und nackt zum Telefon laufen ließ. Ich wählte die 1471 und wartete, bis die Computerstimme mir die Nummer des Anrufers nannte. Ich hatte vergessen, einen Stift bereitzuhalten, sodass ich mir die Zahlen merken musste. Um sie ja nicht zu vergessen, sang ich sie immer wieder vor mich hin, während ich in meinen Schubladen nach Stift und Papier wühlte, und notierte sie schließlich auf eine einzelne Spielkarte, die mir in die Finger kam. Dann wählte ich nochmals die 1471, nur um sicherzugehen.
Es war eine 7852er Nummer. Wo war das? Irgendwo in Süd-London vielleicht. Auf jeden Fall handelte es sich um einen Stadtteil, in dem ich selten anrief, so viel stand fest. Ich zog den Stöpsel aus der Wanne und zog mir was an. Dann begann ich mein Adressbuch nach den besagten vier Zahlen durchzusehen.
Ich hoffte, auf diese Weise herauszufinden, in welchem Teil von London Brendan sich mittlerweile aufhielt, kam aber bald zu dem Schluss, dass es eine bessere Methode geben musste. Ich holte das
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