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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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die Entscheidung, was ich anziehen sollte, sehr schwer gefallen war.
    Einem alten Klischee zufolge soll man, wenn man verlassen worden ist – was auf mich natürlich nicht zutraf, aber darum ging es im Moment nicht –, darauf achten, möglichst blendend auszusehen, damit demjenigen, der einen verlassen hat oder von dem die Leute glauben, dass er einen verlassen hat, bewusst wird, was er alles verpasst. Da es sich dabei aber um ein altes Klischee handelt, das jeder kennt, kann es am Ende auch ein wenig erbärmlich wirken, wenn man in einer solchen Situation zu viel Mühe auf sein Aussehen verwendet. Andererseits kann man aber auch nicht ins andere Extrem verfallen und den Eindruck erwecken, als hätte man den ganzen Tag weinend im Bett verbracht und nebenbei eine Flasche Sherry getrunken. Das Ganze hätte überhaupt kein Problem sein dürfen, war aber trotzdem eins, und ich konnte es nur lösen, indem ich mir überlegte, was ich angehabt hatte, als ich das letzte Mal in Gesellschaft unterwegs war – den Abend mit Kerry und Brendan nicht mitgezählt. Unglücklicherweise hatte es sich bei meinem letzten gesellschaftlichen Ereignis um einen Junggesellinnenabschied für eine alte Freundin gehandelt, zu dem ich ein gewagtes kleines Schwarzes getragen hatte, das für ein Sonntagsessen bei meinen Eltern völlig ungeeignet war. Das Mal davor aber war ein zwangloser Kneipenbesuch mit ein paar Freunden gewesen, und ich hatte eine Jeans, ein weißes Hemd und meine neue Jeansjacke mit dem Wildlederkragen getragen.
    Das konnte ich gut anziehen.
    »Du siehst wirklich sehr hübsch aus«, betonte meine Mutter noch einmal. Langsam bekam ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. »Die anderen sind schon alle da«, fuhr sie fort. »Kerry sieht phantastisch aus. Was natürlich nicht heißen soll …« Sie musterte mich verlegen. »Sollen wir zu ihnen hinausgehen?«
    »Ist Troy auch da?«, fragte ich.
    »Ja. Er scheint recht guter Laune zu sein. Nicht ganz so aufgedreht wie letzten Donnerstag, aber im grünen Bereich. Toi, toi, toi!«, fügte sie hinzu und klopfte gegen das Holz des Türrahmens.
    Mit der Familie Cotton schien also alles in Ordnung zu sein.
    Kerry war glücklich, ich sah hübsch aus, Troy wirkte gut gelaunt. Ich war versucht, eine sarkastische Bemerkung zu machen, riss mich aber zusammen. Schließlich wollte ich mich heute von meiner besten Seite zeigen. Wie die Sonne, die zur Feier des Tages von einem strahlend blauen Himmel schien.
    Obwohl schon Oktober war, hatten sich alle draußen in dem langen, schmalen Garten hinter dem Haus versammelt. Alle außer Troy, der sich in Gruppen nicht wohl fühlte. Meist ließ er sich am Anfang kurz blicken und zog sich dann unauffällig zurück, um oben ein Buch zu lesen oder Musik zu hören.
    Trotzdem wirkte der kleine Garten überfüllt. Bill und Judy waren ebenfalls da. Meine Eltern hatte mir gar nicht gesagt, dass sie meinen Chef eingeladen hatten. Demnach wusste er es also auch schon. Obwohl »wissen« hier das falsche Wort war, weil Brendans Geschichte ja gar nicht stimmte. Eigentlich hätte es für einen solchen Fall ein eigenes Wort geben müssen.
    Jedenfalls war das Wetter so schön, dass Dad den Grill angeheizt hatte. Ich sah ihn am hinteren Ende des Gartens in den Kohlen herumstochern, unterstützt von – tatsächlich, ich hatte mich nicht getäuscht – Brendan. Die beiden unterhielten sich angeregt, waren aber so weit von mir entfernt, dass ich nicht hören konnte, was sie sagten. Kerry stand bei Judy. Sie trug eine weite schwarze Hose und ein enges, geripptes rosa Oberteil. Sie sah, wie schon im La Table, glücklich und selbstbewusst aus.
    Ich beschloss, alle potenziellen Peinlichkeiten so weit wie möglich hinauszuschieben, und ging zu Bill hinüber, der mir die neutralste Person im Garten zu sein schien. Er begrüßte mich mit einem freundlichen Nicken.
    »Hallo, Miranda. Wie geht’s dir?«
    Auf dem Tisch neben ihm stand ein Vorrat an Bierdosen bereit. Er reichte mir eine.
    »Was für eine nette Überraschung«, bemerkte ich. »Du bist hier ja nicht gerade ein häufiger Gast.«
    »Marcia hat darauf bestanden.«
    Ich nahm einen Schluck von dem Bier und betrachtete die Rückseite meines Elternhauses, die mit einem Baugerüst versehen war.
    »Was hältst du davon?«, fragte ich.
    »Wenn sie es jetzt nicht in Angriff genommen hätten, würde es nächstes Jahr nicht mehr stehen.«
    »So schlimm?«

    »Noch schlimmer. Man kann richtig zusehen, wie der Riss größer

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