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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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waren wir endlich eingeschlafen, in den frühen Morgenstunden aber schon wieder aufgewacht. Benommen vor Müdigkeit, hatten wir in der Dunkelheit die Arme nach dem anderen ausgestreckt. Und am Morgen war er immer noch da gewesen. Das Gesicht eines Fremden auf meinem Kopfkissen. Ein seltsames Gefühl.
    Blinzelnd lächelte ich Kerry an. Meine Lippen waren wund, mein ganzer Körper prickelte.
    »Ich habe vier Besichtigungen vereinbart«, sagte sie gerade.
    »Und die Termine so gelegt, dass wir keinen Leerlauf dazwischen haben. Eigentlich müssten wir es in einer Stunde schaffen, vielleicht sogar noch schneller. Man weiß ja nie so genau, was von den Angaben der Makler im Einzelnen zu halten ist, nicht wahr?«
    »Vielleicht können wir hinterher noch zusammen Mittag essen.«
    »Das wäre schön. Ich bin zwar schon mit Brendan verabredet, aber wir können ihn ja anrufen und irgendeinen Treffpunkt vereinbaren. Er wollte eigentlich sowieso mitkommen, aber er hatte Dad versprochen, ihm beim Schleppen der Möbel zu helfen, bevor morgen früh die Handwerker erscheinen und das Haus in seine Einzelteile zerlegen. Nachmittags hatte er keine Zeit, weil dieser Mann kommt, um sich meine Wohnung ein zweites Mal anzusehen.«
    »Schauen wir erst mal, wie lange wir brauchen«, trat ich den Rückzug an. »Vielleicht muss ich hinterher doch gleich weg.

    Auf mich wartet ein Dachbodenausbau.«
    »Es ist doch Sonntag«, protestierte sie. »Du arbeitest zu viel.«
    Ihr Glück hatte sie großzügig gemacht. Sie wollte, dass alle anderen auch glücklich waren. »Du siehst müde aus.«
    »Wirklich?« Ich berührte sanft mein Gesicht, wie Nick es getan hatte. »Es geht mir gut, Kerry, ich habe letzte Nacht bloß ein bisschen zu wenig Schlaf erwischt, das ist alles.«

    Wir waren im Kino gewesen. Der Film hatte uns nicht besonders gefallen, was in diesem Fall aber keine große Rolle spielte. Wir hatten uns eng aneinander geschmiegt. Nick hatte seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt, ich meinen Kopf an seine Schulter gelehnt. Hin und wieder hatten wir uns geküsst, nur ganz leicht: ein Versprechen. Er hatte gesalzenes Popcorn besorgt, aber wir aßen nicht viel davon. Uns war beiden klar gewesen, dass es in dieser Nacht passieren würde, der Film war nur eine Art Warten im Dunkeln, das dazu diente, all die anderen Dinge aus unseren Gedanken zu verdrängen. In meinem Fall bedeutete das, dass ich zu vergessen versuchte, was Brendan am Vorabend zu mir gesagt hatte. Die Art, wie er sich vorgebeugt und es mir zugeflüstert, wie er mit einem Lächeln jene Worte ausgesprochen hatte. Ich durfte nicht mehr daran denken, musste das alles ganz schnell wieder aus meinem Kopf herausbekommen, wo es wie eine fette, schmutzige Fliege umhersummte. Deswegen betrachtete ich die Bilder, die über die Leinwand flimmerten, und sah zwischendrin immer wieder Nick an. Gelegentlich schloss ich für einen Moment die Augen.
    Als wir aus dem Kinosaal in das Foyer traten, war es draußen bereits dunkel. Nick nahm meine Hand und küsste sie. »Und nun?«
    »Meine Wohnung liegt näher als deine«, antwortete ich.
    Wir stiegen in einen Doppeldeckerbus und setzten uns oben ganz nach vorn. Ich presste die Stirn an das Fenster und spürte das Vibrieren des Motors, sah unten auf der Straße die Menschen dahineilen. Die meisten hatten den Kopf eingezogen, weil so ein starker Wind blies. Mir wurde bewusst, wie nervös ich war. Bald würde ich Sex mit diesem Mann haben, der jetzt wortlos neben mir saß und mit dem ich mich erst zweimal getroffen hatte. Wie würde es sein? Sex kann ganz locker und problemlos ablaufen, aber manchmal erscheint er einem auch sehr bedeutsam und schwierig, fast unmöglich. Zwei Menschen mit all ihren Hoffnungen, Erwartungen, Neurosen und Wünschen, zwei miteinander kollidierende Welten.
    »Hier müssen wir raus«, sagte ich.
    Er stand auf und zog mich hoch. Seine Hand fühlte sich warm und fest an. Er lächelte. »Alles in Ordnung?«
    Es war in Ordnung. Schön. Hinterher machten wir uns aus einem der halbfertigen Baguettes, die ich auf Vorrat hatte, ein Sandwich mit Ziegenkäse und Tomaten und tranken dazu ein Glas Wein. Dann zogen wir uns erneut ins Schlafzimmer zurück, und diesmal war es mehr als nur in Ordnung. Es war wundervoll. Während ich nun in Kerrys Wagen saß, ließ mich der bloße Gedanke daran vor Sehnsucht dahinschmelzen.
    Anschließend hatten wir zusammen ein Bad genommen, unsere Beine in der kleinen Wanne ineinander verschlungen und uns

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