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Der falsche Freund

Titel: Der falsche Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nicht? Ich dachte, nun würde alles gut werden.«
    »Das wird es bestimmt«, sagte ich mit zu viel Nachdruck.
    »Ich fahre gleich los.«
    Nachdem ich das Gespräch beendet hatte, drehte ich mich zu Broughton um.
    »Ich muss weg.«
    Sein wütender Blick wurde noch wütender.
    »Ist Ihnen klar, wie teuer meine Zeit ist?«, fragte er.
    »Es tut mir sehr Leid«, antwortete ich. Am liebsten hätte ich gesagt, dass meine Zeit auch etwas wert sei. Aber ich verkniff es mir. Ich dachte an Troy, der womöglich irgendwo im Regen herumlief.
    Als Erstes fuhr ich zum Haus meiner Eltern. Die Handwerker waren nicht da, obwohl es im Erdgeschoss wie auf einer Baustelle aussah, was es natürlich im Moment auch war. Die Küche stand mehr oder weniger im Freien, der Boden war überall mit gelbem Londoner Lehm bedeckt. Ich ging von Raum zu Raum, rief immer wieder Troys Namen. In seinem Zimmer zog ich die Vorhänge auf und strich sein zerknittertes Bett glatt, damit es einladender aussah, wenn er zurückkam. Auf dem Boden lag ein aufgeschlagenes Buch über die Wanderrouten der Zugvögel. Ich merkte es mit einem Papierstreifen ein und legte es auf sein Kopfkissen.
    Ich wusste nicht so recht, wo ich nach ihm suchen sollte. Wo würde ich an seiner Stelle hingehen, um herumzuhängen, bis der Tag vorüber war? Ich wanderte die Hauptstraße entlang und spähte in Cafés, CD-Läden, die nächstgelegene Buchhandlung.
    Ich versuchte es auch in der Bibliothek, aber sie war geschlossen. Inzwischen hatte sie nur noch zwei Tage die Woche geöffnet. Ich warf einen Blick in die Mini-Einkaufspassage, wo ein paar Jungs, die wahrscheinlich ebenfalls blaumachten, in der verrauchten Düsternis mit den Spielautomaten zugange waren. Troy hasste solche Orte, sie verursachten ihm Beklemmungen.
    Ich ging in den Park und wanderte im Regen umher. Es waren nicht viele Leute unterwegs, nur ein paar Penner, die auf den Bänken saßen, und eine junge Mutter, die mit verbissener Miene einen Kinderwagen schob. Aus seinem Inneren drang ein Heulen, das sich mehr nach einer Sirene als nach einem Baby anhörte. Kein Troy. Ich sah nach, ob er sich vielleicht auf dem Spielplatz untergestellt hatte, aber der war verwaist. Nur ein paar Tauben hüpften durch die Pfützen. Als Nächstes schaute ich in der kleinen Snackbar vorbei, die an sonnigen Tagen Eis verkaufte, aber dort befand sich nur ein einziger Gast, eine Frau.
    Im Grunde konnte er überall sein. Ich rief Mum in der Arbeit an, aber sie hatte nichts von ihm gehört. Ich rief Dad an, der sich geschäftlich in Sheffield aufhielt, aber die Verbindung war sehr schlecht, ich konnte ihn kaum verstehen, und nach kurzer Zeit brach sie ganz ab. Sicherheitshalber rief ich auch in meiner Wohnung an, nur für den Fall, dass Troy aus irgendeinem Grund dort gelandet war. Nach zweimaligem Läuten schaltete sich der Anrufbeantworter ein, und meine eigene Stimme teilte mir mit, dass im Moment niemand zu Hause sei. Ich hinterließ trotzdem eine Nachricht: »Troy? Troy? Bist du da? Kannst du mich hören? Falls du da bist, könntest du bitte rangehen? Bitte geh ran. Troy?« Ich hörte die Angst in meiner Stimme.
    Wenn man jemanden sucht, glaubt man ihn überall zu sehen, wenn auch oft nur aus dem Augenwinkel, aber sobald man sich in die entsprechende Richtung wendet, merkt man, dass man sich getäuscht hat. Oder man sieht ihn aus der Ferne auf sich zukommen, aber wenn der Betreffende sich einem dann nähert, stellt sich heraus, dass er es doch nicht ist. Oder man meint ihn ein Stück weiter vorne zu entdecken, aber dann dreht sich die Person um, und es handelt sich um ein ganz anderes Gesicht. Ich wanderte etwa eine Stunde herum, sagte mir aber wohl nicht ganz zu Unrecht, dass ich mir keine allzu großen Sorgen zu machen brauchte. Schließlich kehrte ich nass und frierend zu meinem Wagen zurück, der noch vor dem Haus meiner Eltern stand, und ging sicherheitshalber ein zweites Mal hinein, um nachzusehen, ob er inzwischen eingetroffen war.
    Die Dielentür stand ein kleines Stück offen, und durch den Spalt konnte ich Troy auf dem alten Sofa sitzen sehen. Das Haar klebte ihm am Kopf, er hatte eine dicke Wolldecke um die Schultern, darunter war er nackt. Er wirkte so niedergeschlagen und in sich zusammengesunken, dass mich sein Anblick schmerzte. Ich musste erst einmal tief Luft holen, ehe ich auf ihn zuging. Er hob den Kopf und lächelte halbherzig zu jemandem hinauf, den ich nicht sehen konnte. Dann versperrte mir plötzlich eine große

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